Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
fernzuhalten«, sagte er gequält. »Merle hat mir gesagt, was du zu tun versuchst. Von ihr weiß ich alles, was gesprochen wurde, während ich bewußtlos war. Ich weiß, ich sollte warten, aber – ich kann es nicht.« Plötzlich wich er meinen Augen aus. »Ich habe dich verraten«, flüsterte er hohl. »Ich bin der Verräter.«
    Da wir verbunden waren, vermochte ich das ganze Ausmaß seines Elends zu ermessen. Ich bemühte mich, ihn zu erreichen, ihm zu vermitteln, was ich fühlte. Man hatte ihn benutzt, um mir zu schaden, ja, aber daran trug er keine Schuld. Doch ich konnte ihn nicht berühren. Scham, Schuldbewußtsein und Reue standen zwischen uns und hinderten ihn daran, meine Vergebung wahrzunehmen. Hinderten ihn daran, sich selbst zu vergeben
    »Narr!« rief ich plötzlich aus. Ich lächelte ihn an. Er war entsetzt, daß ich lächeln konnte, ihn anlächeln konnte. »Nein, schon gut. Du hast mir die Antwort gegeben. Du bist die Antwort!« Ich holte Atem und bemühte mich, ganz genau zu überlegen. Immer mit der Ruhe, ganz behutsam, ermahnte ich mich; aber dann wußte ich auf einmal mit absoluter Klarheit, daß jetzt der einzig richtige Zeitpunkt war. Ich entblößte mein linkes Handgelenk und hielt es ihm hin, die Innenseite nach oben gekehrt. »Berühre mich mit der Gabe an deinen Fingern«, sagte ich zu ihm. »Berühre mich und sieh, ob ich in meinem Innersten glaube, daß du mich verraten hast.«
    »Nein!« rief Krähe angstvoll, doch wie in Trance griff der Narr bereits nach mir. Er umfaßte meine Hand mit seiner linken, dann legte er drei silberne Fingerspitzen an mein nach oben gekehrtes Handgelenk. Als ich die sengende Kälte spürte, griff ich schnell nach Krähes Hand. »FALKIN!« rief ich laut. Ich spürte, wie sie sich regte, und zog sie in uns hinein.
    Ich war der Narr, und der Narr war ich. Er war der Katalysator und ich ebenfalls. Wir waren zwei Hälften eines Ganzen, geteilt und wieder zusammengefügt. Für einen Augenblick erkannte ich ihn in seiner Gesamtheit, vollkommen und magisch. Dann löste er sich von mir, lachend, eine schillernde Seifenblase in meinem Bewußtsein, individuell und geheimnisvoll und doch mit mir verbunden.
    Du liebst mich! Ich konnte es nicht fassen. Er hatte bis jetzt daran gezweifelt. Vorher waren es immer nur Worte, und ich glaubte, Mitleid dahinter zu erkennen. Aber du bist wirklich mein Freund. Dies ist Gewißheit. Dies ist fühlen, was du für mich fühlst. Dies ist also die Gabe. Für einen Augenblick schwelgte er in der reinen Lust der Erkenntnis.
    Plötzlich gesellte sich ein weiterer zu uns. Ah, kleiner Bruder, entdeckst du endlich deine Ohren? Mein Fleisch soll dein Fleisch sein, und wir sind Rudelgefährten für immer!
    Der Narr zuckte vor der stürmischen Freundlichkeit des Wolfs zurück. Ich glaubte schon, er würde den Kreis zerbrechen, aber statt dessen wagte er sich näher heran. Dies? Dies ist Nachtauge? Dieser mächtige Kämpfer, dieses große Herz?
    Wie diesen Augenblick beschreiben? Nachtauge war so lange schon Teil meines Lebens und mir so nahe, daß ich staunte, wie wenig der Narr von ihm wußte.
    Haarig? So hast du mich gesehen? Haarig und sabbernd?
    Ich bitte um Vergebung. Die Antwort des Narren, durchaus ernst gemeint. Es ehrt mich, dich zu sehen, wie du in Wahrheit bist. Ich hatte nicht solche Größe in dir erwartet. Ihre gegenseitige Bewunderung war beinahe etwas zuviel des Guten.
    Dann beruhigte sich die Welt um uns. Wir haben eine Aufgabe, erinnerte ich sie. Der Narr nahm die Fingerspitzen von meinem Handgelenk und hinterließ drei silberne Abdrücke auf meiner Haut. Selbst die Luft lastete zu schwer auf diesen Malen. Für kurze Zeit war ich an einem anderen Ort gewesen. Nun befand ich mich wieder in meinem Körper. Alles hatte nur wenige Sekunden gedauert.
    Ich wandte mich wieder an Krähe. Es war anstrengend, wieder nur durch meine Augen zu sehen. »Falkin?« fragte ich behutsam. Sie hob den Blick. Ich glaube nicht, daß sie etwas ahnte von der haarfeinen Brücke der Gabe zwischen uns. In der Sekunde ihres Erschreckens, als der Narr mich berührte, war ich durch ihre Abwehr geschlüpft. Die Verbindung war zu dünn, als daß man sie ein Band hätte nennen können, doch jetzt wußte ich, wodurch sie erstickt wurde. »Dieses Schuldgefühl, die Scham, die Reue, die du mit dir herumträgst, Falkin – verstehst du nicht? Damit haben sie dich geschlagen. Und du hast das Deine dazu getan. Die Mauer hast du selbst errichtet. Reiß sie nieder.

Weitere Kostenlose Bücher