Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
hinwegzuretten. Der Sprung war nicht hoch und nicht weit genug. Ich schlug mir an dem scharfgratigen Rücken des Drachen das Knie an und stürzte hinter ihm auf den Boden. So schnell wie möglich rappelte ich mich wieder auf. Mein Verfolger kam herangestürmt und schwang sein Schwert zu einem Hieb, der mich in zwei Hälften gespalten hätte, wäre er nicht mit dem Bein an einem der langen Hauer hängengeblieben. Er taumelte, fiel und spießte sich selbst auf den zweiten Hauer, der wie ein Krummsäbel aus dem klaffenden roten Maul des Keilers ragte. Der Mann stieß nur einen leisen, fast erstaunten Laut aus. Ich sah, wie er versuchte, sich zu erheben, aber der Hauzahn stak in ihm wie ein Angelhaken. Einen Augenblick zögerte ich, doch dann ergriff ich doch die Flucht, bevor der zweite Verfolger auftauchte. Hinter mir ertönte ein langgezogener Schmerzensschrei.
Trotz allem bewahrte ich kühlen Kopf und dachte daran, einen Bogen zu schlagen. Fast hatte ich den Pfeiler erreicht, als ich einen suchenden Wellenschlag der Gabe spürte. Ich erinnerte mich an das letzte Mal, als ich das gefühlt hatte. Wurde Veritas angegriffen? Im Steinbruch? Ein Mann war bei dem Pfeiler zurückgeblieben, aber ich beschloß, es mit seinem Schwert aufzunehmen, um zu meinem König zu gelangen. Ich überquerte den Grasstreifen zwischen den Bäumen und dem Pfeiler, wo der Soldat stand und in die Richtung des Feuers und der Schreie blickte. Ein zweiter Fühler der Gabe streifte mich.
»Nein!« schrie ich, »Ihr dürft Euch nicht in Gefahr bringen!« als mein König aus dem Pfeiler trat, das schartige, stumpfe Schwert in der silbern schimmernden Hand. Er tauchte hinter dem Soldaten auf, den mein unbedachter Ausruf veranlaßte, sich herumzudrehen. Er trat dem unvermutet erschienenen Feind gegenüber, obwohl sich das nackte Grauen auf seinen Zügen malte.
Im Schein des Feuers sah Veritas aus wie ein Dämon. In seinem Gesicht glänzten silberne Flecken von achtlosen Berührungen, während seine Hände und Arme glänzten wie aus poliertem Metall. Seine hageren Züge und zerlumpten Kleider und die abgründige Schwärze seiner Augen hätten jedem Menschen Entsetzen eingeflößt. Mut konnte ich Edels Soldaten nicht absprechen; der Mann hielt stand, parierte und parierte die Riposte. Zumindest glaubte er das, doch es war eine alte Finte Veritas’. Die niederfahrende Klinge hätte die Hand vom Arm trennen sollen, aber die stumpf gewordene Schneide wurde vom Knochen aufgehalten. Trotzdem ließ der Mann sein Schwert fallen, sank auf die Knie und umklammerte den heftig blutenden Arm. Veritas’ Klinge beschrieb einen Halbkreis und schlitzte ihm die Kehle auf. Ich spürte ein zweites Erbeben der Gabe. Der letzte überlebende Soldat stürmte zwischen den Bäumen hindurch auf uns zu. Seine Augen hefteten sich auf Veritas’ Gesicht, und er schrie vor Entsetzen auf; dann blieb er stehen wie gegen eine Wand gelaufen. Veritas trat einen Schritt auf ihn zu.
»Mein König, es ist genug! Laßt uns gehen!« rief ich. Ich wollte nicht, daß er noch einmal für mich sein Leben aufs Spiel setzte.
Doch Veritas senkte nur den Blick auf sein Schwert. Er runzelte die Stirn. Plötzlich umfaßte er die Klinge dicht unter dem Heft und zog sie durch seine silberne Hand. Ich hielt den Atem an. Das Schwert, das er nun prüfend durch die Luft schwang, ähnelte wieder der Waffe, die Meisterin Hod ihm seinerzeit feierlich überreicht hatte. Sogar im Fackelschein sah ich das schillernde Moiree des vielfach gefalteten Stahls der makellosen Klinge. Der König schaute mich an. »Ich hätte wissen müssen, daß ich das tun kann.« Fast lächelte er; dann richtete er den Blick auf den wie erstarrt dastehenden jungen Soldaten. »Wenn du bereit bist«, sagte Veritas ruhig.
Was als nächstes geschah, erschütterte mich.
Der Soldat fiel auf die Knie und warf seine Waffe vor sich ins Gras. »Mein König, ich kenne Euch, auch wenn Ihr mich nicht kennt.« Die Worte kamen ihm ohne sein Zutun über die Lippen, und der Akzent der heimatlichen Marken war nicht zu überhören. »Majestät, man hat uns gesagt, Ihr wärt tot. Tot, weil Eure Gemahlin und der Bastard sich gegen Euch verschworen hätten. Sie, die Verräter, sollten wir hier finden. Euren Tod zu rächen, das war mit ein Grund, weshalb ich hergekommen bin. In den Marken habe ich Euch gut gedient, Majestät, und wenn Ihr lebt, bin ich Euch immer noch ergeben.«
Veritas musterte im flackernden Fackelschein das Gesicht des Mannes. »Du
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