Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Bettkante und strich Salbe auf die Wunde. Er biß die Zähne zusammen, gab aber keinen Laut von sich. Dann ging sie vor ihm in die Hocke. »Heb die Arme, damit ich dir den Verband umlegen kann«, befahl sie. Burrich gehorchte, und sie wickelte ihm kunstgerecht den Verband um den Oberkörper und befestigte ihn. »Besser?« fragte sie.
»Viel besser.« Er machte eine Bewegung, als wolle er sich strecken, dann besann er sich eines Besseren.
»Wenn du Hunger hast...« Sie ging zum Tisch.
»Gleich.« Ich sah, wie Burrichs Miene sich verdüsterte. Molly sah es auch, und ihre Haltung verriet plötzliche Wachsamkeit. »Molly...« Er seufzte und fing noch einmal von vorne an. »Nessel ist König Listenreichs Enkeltochter. Ein Sproß des Hauses Weitseher. Edel sieht in ihr eine Bedrohung, und daß sein erster Mordanschlag gescheitert ist, wird ihn nicht davon abhalten, es wieder zu versuchen. Um die Wahrheit zu sagen, ich bin überzeugt, daß er es wieder versuchen wird.« Er kratzte sich den Bart. Als Molly nichts sagte, meinte er: »Vielleicht der einzige Weg, ihm zu entkommen, ist der, euch in den Schutz des wahren Königs zu begeben. Ich kenne da einen Mann – vielleicht hat Fitz dir von ihm erzählt. Chade?«
Sie schüttelte stumm den Kopf. Ihre Augen wurden schwärzer und schwärzer.
»Er könnte Nessel an einen sicheren Ort bringen und dafür sorgen, daß es dir an nichts fehlt.« Die Worte kamen ihm langsam, beinahe widerstrebend über die Lippen.
Mollys Antwort erfolgte um so schneller und entschiedener. »Nein. Sie ist kein Weitseher. Sie ist meine Tochter, und ich denke nicht daran, sie zu verkaufen, nicht um Geld und nicht für Schutz.« Sie funkelte ihn an. »Wie konntest du das von mir glauben?«
Ihr Zorn nötigte Burrich ein Lächeln ab. Ich las schuldbewußte Erleichterung in seinem Gesicht. »Ich habe nicht geglaubt, daß du es tun würdest, aber ich fühlte mich verpflichtet, dir das Angebot zu machen.« Was er als nächstes sagte, schien ihn noch größere Überwindung zu kosten. »Ich habe noch an eine andere Möglichkeit gedacht, aber ich weiß nicht, was du davon halten wirst. Wir müssen auf jeden Fall fort aus dieser Gegend und einen Ort finden, wo man uns nicht kennt.« Plötzlich senkte er den Blick, als könne er ihr nicht mehr in die Augen sehen. »Wenn wir als Gatten dorthin kämen, würden die Leute nichts anderes glauben, als daß sie meine Tochter ist...«
Molly stand da, wie zur Salzsäule erstarrt. Das Schweigen dehnte sich endlos. Burrich hob die Augen und schaute sie Verständnis heischend an. »Versteh mich nicht falsch. Ich erwarte nichts von dir – in der Weise. Aber – nun, es ist nicht nötig, daß du mich zum Mann nimmst. Es gibt Zeugensteine in Kevdor. Dort könnten wir mit einem Vaganten hingehen. Ich könnte vortreten und schwören, daß Nessel mein Fleisch und Blut ist. Niemand würde je daran zweifeln.«
»Du würdest lügen vor einem Zeugenstein?« fragte Molly ungläubig. »Das würdest du tun? Für Nessel?«
Er nahm die Augen nicht von ihrem Gesicht, als er langsam nickte.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Burrich, ich dulde es nicht. Es bringt schlimmes Unglück, so etwas zu tun. Jeder weiß, was einen befällt, der die Zeugensteine mit einer Lüge entweiht.«
»Ich nehme das Risiko auf mich.« Er sagte es grimmig. Ich hatte nie erlebt, daß Burrich eine Lüge aussprach, und nun war er um Nessels willen sogar bereit, einen falschen Eid zu schwören. Ich fragte mich, ob Molly wußte, was er ihr da anbot.
Sie wußte es. »Nein. Du wirst nicht lügen.«
»Molly, nimm Vernunft an.«
»Sei still!« sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Sie neigte den Kopf zur Seite und schaute ihn nachdenklich an. »Burrich?« Es klang zögernd. »Ich habe reden hören... Lacey hat erzählt, daß du einmal Philia geliebt hast.« Sie holte tief Atem. »Liebst du sie immer noch?«
Im ersten Augenblick sah es so aus, als wolle Burrich aufbrausen. Molly hielt seinem finsteren Blick tapfer stand, bis er zur Seite schaute. Sie konnte seine Antwort kaum verstehen. »Ich liebe meine Erinnerungen an sie. Wie sie damals war, wie ich damals gewesen bin. Vielleicht auf die Art, wie du immer noch Fitz liebst.«
Diesmal war es Molly, die schmerzlich getroffen zusammenzuckte. »Einiges von dem, woran ich mich erinnere – ja.« Sie nickte, wie um sich etwas zu bestätigen, dann hob sie den Kopf und schaute Burrich in die Augen. »Aber er ist tot.« Seltsam endgültig klang es
Weitere Kostenlose Bücher