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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ich es tat. Vielleicht, weil er mir nie zuvor von einer Schwester erzählt hatte oder von einem Zuhause, das er vermißte. Ich wollte nicht innehalten, um mir über meine Beweggründe klarzuwerden. Nicht zu denken war soviel einfacher, und nicht zu fühlen, war am einfachsten. Der Narr legte seine nicht von der Gabe berührte Hand statt auf den Schulteransatz an meinen Hals. Instinktiv tat er das Richtige. Haut an Haut konnte ich ihn besser fühlen. Ich hielt mir Veritas’ silberne Hände vor die Augen und bestaunte sie. Silber für das Auge, für die Sinne schmerzhaft empfindlich wie rohes Fleisch. Bevor ich meine Meinung ändern konnte, beugte ich mich vor und legte beide Hände um die formlose Vorderpranke des Drachen.
    Augenblicklich konnte ich ihn spüren. Fast krümmte er sich in seinem steinernen Kerker. Ich kannte den Rand jeder Schuppe, die Spitze jeder säbelartigen Kralle. Und ich kannte die Frau, die ihn geschaffen hatte. Die Frauen. Eine Kordiale, vor unendlich langer Zeit. Salz’ Kordiale. Aber Salz war zu stolz gewesen. Sie hatte ihre eigene Gestalt erhalten wollen und ihr Abbild auf dem Rücken des Drachen geformt, den ihre Kordiale um sie herum schuf. Das steinerne Gesicht trug ihre Züge. Und fast wäre es gelungen. Der Drachen war vollendet und nahezu gefüllt. Er erwachte zum Leben und begann sich zu erheben, während er die Kordiale in sich aufnahm. Doch Salz klammerte sich an das steinerne Mädchen und verweigerte sich dem Drachen. Und der Drache war gestürzt, bevor er sich von der Erde hatte lösen können, war in den Stein zurückgesunken und blieb dort gefangen für alle Ewigkeit. Gefangen auch die Kordiale, in dem Drachen, und Salz, in das Mädchen gebannt.
    All das wußte ich im Bruchteil einer Sekunde. Und ich fühlte den Hunger des Drachen. Er zog an mir, flehte um Nahrung. Von dem Narren hatte er gespeist. Ich spürte, was er gegeben hatte, Lichtes wie Dunkles. Spott und Hohn von Gärtnerbuben und Kammerdienern, als er jung nach Bocksburg gekommen war. Ein blühender Apfelbaumzweig vor einem Fenster im Frühling. Ein Bild von mir, wie ich mit fliegendem Wams hinter Burrich über den Burghof eilte und mich bemühte, mit meinen kurzen Beinen so weit auszuschreiten wie er. Ein springender silberner Fisch über einem verwunschenen Teich in der Morgendämmerung.
    Der Drache hörte nicht auf, an mir zu zerren. Plötzlich wußte ich, was mich wirklich hierhergezogen hatte. Nimm die Erinnerung an meine Mutter und die Gefühle, die damit einhergingen. Ich will sie nicht. Nimm den Schmerz in meiner Kehle, wenn ich an Molly denke, nimm all die leuchtenden, farbenseligen Tage mit ihr, an die ich mich erinnere. Nimm ihren Glanz und laß mir nur die Schatten von dem, was ich sah und fühlte, so daß ich an sie denken kann, ohne daß sie mich schneiden wie Messer. Nimm meine Tage und Nächte in Edels Kerker. Es genügt zu wissen, was mir angetan wurde. Nimm es und bewahre es, und ich muß nicht mehr diesen kalten Steinboden unter meiner Wange fühlen, hören, wie meine Nase bricht, und mein eigenes Blut riechen und schmecken. Nimm die Trauer, daß ich nie meinen eigenen Vater kannte, nimm die Stunden in der großen, leeren Halle, wenn ich unter seinem Portrait stand und zu seinem gemalten, leblosen Gesicht hinauf starrte. Nimm meine...
    Fitz! Hör auf! Du gibst ihr zuviel, bald wird nichts mehr von dir übrig sein. Des Narren Stimme in meinem Kopf, entsetzt über das, was er in Gang gebracht hatte.
    ... Erinnerungen an jenes Turmdach, Sommerfrische der Königin, das war einmal, jetzt kahl und windgepeitscht, und Galen, der vor mir steht. Nimm das Bild von Molly, wie Sie gern in Burrichs Arme kommt. Nimm es und lösch es aus und schließ es ein, wo es mich nie wieder brennen kann. Nimm...
    Mein Bruder! Genug.
    Nachtauge stand plötzlich zwischen mir und dem Drachen. Ich wußte, ich hielt noch immer die schuppige Vorderpranke umfaßt; doch der Wolf knurrte sie an und warnte sie, noch mehr von mir zu nehmen.
    Mir ist es gleich, wenn alles ausgelöscht wird, sagte ich zu Nachtauge.
    Aber mir macht es etwas aus. Ich will nicht mit einem Entfremdeten verschwistert sein. Geh weg, Ohneherz. Er knurrte sowohl in meinem Bewußtsein als auch neben mir.
    Zu meiner Überraschung zog der Drache sich zurück. Mein Gefährte schnappte nach meiner Schulter. Laß los. Geh weg davon!
    Ich nahm die Hände von der Drachentatze. Als ich die Augen aufschlug, bemerkte ich überrascht, daß es immer noch Nacht war.
    Der

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