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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Narr hatte die Arme um Nachtauge geschlungen. »Fitz«, sagte er bedrückt. Er sprach in die Halskrause des Wolfs hinein, aber ich verstand ihn deutlich. »Fitz, es tut mir leid. Aber du kannst nicht all deinen Schmerzen weggeben. Wenn du aufhörst, Schmerz zu empfinden...«
    Ich hörte nicht, was er weiter sagte. Ich starrte nur auf die Vorderpranke des Drachen. Wo meine Hände auf dem höckerigen Stein gelegen hatten, waren jetzt zwei Abdrücke zu sehen. Innerhalb dieser Konturen war jede einzelne Schuppe perfekt ausgeformt und geprägt. All das, dachte ich. All das, und so wenig Drache hat es mir gebracht. Dann dachte ich an Veritas’ Drachen. Er war riesig. Wie hatte er das fertiggebracht? Was hatte er in seinem Innern all die Jahre über angesammelt, um genug zu haben für die Erschaffung eines solchen Drachen?
    »Er ist ein tiefes Wasser, dein Oheim. Angefüllt mit großer Liebe und immenser Loyalität. Manchmal glaube ich, meine zweihundert Jahre verblassen gegenüber dem, was er in seinem nicht einmal halben Jahrhundert gefühlt hat.«
    Alle drei wandten wir uns Krähe zu. Ich hatte gewußt, daß sie kam, mich aber nicht darum gekümmert. Sie stützte sich schwer auf ihren Stock, und ihr Gesicht hing lose von ihrem Schädel. Unsere Blicke trafen sich, und ich wußte, daß sie wußte. Durch die Gabe mit Veritas verbunden, waren sie wie eins. »Kommt herunter da. Alle miteinander, bevor ihr euch weh tut.«
    Wir gehorchten langsam und ich am langsamsten von allen. Veritas’ Gelenke schmerzten; sein Körper war müde. Krähe musterte mich böse, als ich endlich neben ihr stand. »Wenn du unbedingt etwas loswerden wolltest, hättest du es auch in Veritas’ Drachen geben können«, meinte sie.
    »Er hätte es nicht zugelassen, und du hättest es auch nicht zugelassen.«
    »Nein, das hätten wir nicht. Ich will dir etwas sagen, Fitz. Eines Tages wirst du vermissen, was du jetzt leichtfertig weggegeben hast. Nach und nach wird einiges von diesen Gefühlen natürlich wiederkehren. Alle Erinnerungen sind untereinander verbunden, und wie eines Menschen Haut können sie heilen. Doch mit der Zeit hätten sie ganz von selbst aufgehört zu schmerzen, und glaub mir, eines Tages wünschst du dir vielleicht, du könntest diesen Schmerz in seiner ganzen Schärfe noch einmal in dir spüren.«
    »Das glaube ich kaum«, sagte ich ruhig, um meinen Zweifel zu überspielen. »Ich habe noch reichlich Schmerzen übrig.«
    Krähe hob ihr Greisinnengesicht in die Nacht und sog tief die Luft ein. »Der Morgen dämmert«, sagte sie, als hätte sie ihn gewittert. »Zeit, daß du zu dem Drachen zurückkehrst. Zu Veritas’ Drachen. Und ihr zwei«, sie richtete den Blick auf Nachtauge und den Narren, »ihr zwei solltet zu dem Ausguck gehen und schauen, ob Edels Truppen schon in Sichtweite sind. Wolf, du wirst Fitz mitteilen, was du entdeckst. Marsch, marsch, alle beide. Und Narr – du wirst Mädchen-auf-einem-Drachen von nun an in Ruhe lassen. Du müßtest ihr dein ganzes Leben darbringen, und selbst das möchte nicht genug sein. Also hör auf, dich und sie zu quälen. Nun sputet euch!«
    Sie gehorchten, aber nicht, ohne einige Male über die Schulter zurückzuschauen. »Komm jetzt«, forderte Krähe mich ungeduldig auf und trat schlurfend den Rückweg an. Ich folgte ihr nicht weniger steif durch das schwarze und silberne Schattenmuster der Felsquader, die in dem Steinbruch verstreut lagen. Krähe sah mindestens so alt aus wie zweihundert Jahre, und ich fühlte mich sogar noch älter. Schmerzen überall, reibende, knirschende Gelenke. Ich hob die Hand und kratzte mich am Ohr; dann zog ich sie hastig zurück. Veritas würde von nun an ein silbernes Ohr haben. Schon jetzt brannte die Haut und es kam mir vor, als ob die Nachtinsekten lauter zirpten.
    »Übrigens, es tut mir leid. Wegen deiner Molly und allem. Ich habe versucht, dich darauf vorzubereiten.«
    Krähe hörte sich nicht an, als täte es ihr leid, aber soviel wenigstens hatte ich mittlerweile begriffen: Fast all ihre Gefühle befanden sich in dem Drachen. Sie sprach von etwas, das sie gefühlt haben würde, früher. Sie empfand durchaus Mitleid mit mir, aber sie erinnerte sich an keinen vergleichbaren Schmerz in sich selbst, um wirklich mit mir leiden zu können. Ich fragte nur ganz ruhig: »Bleibt hier nichts unbemerkt und unbeobachtet?«
    »Nur die Dinge, die wir vor uns selbst verbergen«, antwortete sie traurig. Sie schaute mich an. »Du tust etwas Gutes heute nacht. Etwas

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