Die Legende von Carter Prewitt
nicht schaden«, antwortete der Rancher vom Salado Creek. Er ging zur Treppe und stieg sie hinunter. Jacob Prewitt legte seinem älteren Bruder die linke Hand auf die Schulter. Nebeneinander schritten sie die Straße hinunter, bis sie einen Saloon erreichten. Im Schankraum war es kühl. Nicht ein einziger Gast war anwesend. Es roch nach kaltem Rauch und verschüttetem Bier. Der Keeper stand über den Tresen gebeugt da und las in einem vergilbten Magazin. Jetzt hob er das Gesicht und schaute den beiden Gästen entgegen. Sie setzten sich an einen der runden Tische. Der Keeper richtete sich zu seiner vollen Größe auf und fragte: »Was wünschen die Gentleman zu trinken?«
»Gib uns zwei Bier, Charly«, versetzte Jacob Prewitt.
Während der Keeper einschenkte, sagte Jacob Prewitt halblaut: »Du solltest über meinen Vorschlag nachdenken, Amos. Wenn du jemand findest, der in die Ranch investiert, kannst du sie retten.«
»Ich habe nicht nur bei der Bank Schulden«, erklärte Amos Prewitt. »Auch dem General Store in Southton schulde ich über fünfhundert Dollar, außerdem musste ich in den vergangenen drei Jahren die Grundsteuer schuldig bleiben. Alles in allem sind es über dreitausend Dollar, mit denen ich in der Kreide stehe.«
Jacob Prewitt strich sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. Sekundenlang schien sich sein Blick nach innen zu verkehren, als er nachdachte. Dann sagte er: »Du solltest noch einmal über meinen Rat nachdenken, Bruder. Wenn du jemand an der Ranch beteiligst, kostet dich das vielleicht ein Viertel deines Besitzes. Das sind fünfundzwanzig Prozent. Tust du es nicht, verlierst du hundert Prozent.«
Der Rancher presste sekundenlang die Lippen zusammen. Er wirkte wie ein Mann, von dem man verlangte, dass er sein Herzblut opferte. Seine Kiefer mahlten. Versonnen musterte er seinen Bruder. Dann murmelte er: »Ich will das nicht, Jacob. Carter soll einmal die Ranch übernehmen, und zwar zu hundert Prozent. Ihm den Besitz zu sichern – dazu fühle ich mich verpflichtet.«
»Ich will ja den Teufel nicht an die Wand mahlen, Amos, aber von Carter gibt es seit Gettysburg kein Lebenszeichen mehr. Du musst den Tatsachen ins Auge sehen und endlich mit dem Herzen akzeptieren, was dir dein Verstand längst sagt. Wahrscheinlich lebt Carter nicht mehr. Aber das spielt im Zusammenhang mit der Ranch auch gar keine Rolle. Wenn du deine Existenz beibehalten willst, musst du zu retten versuchen, was zu retten ist. Du wirst alles verlieren, wenn du nicht bereit bist, umzudenken. Wenn du aber einen Investor ins Spiel nimmst, kannst du die Hälfte, vielleicht sogar drei Viertel deines Besitzes erhalten.«
Amos Prewitt begann an seiner Unterlippe zu nagen.
Sein Bruder ergriff wieder das Wort. Er sprach eindringlich, jedes Wort betonend: »Es geht nicht darum, Carter die Ranch zu erhalten. Es geht um dich, um Kath und um Corinna. Ihr werdet als Bettler das Land verlassen, wenn euch am Ende des Monats die Bank die Ranch wegnimmt. Carter ist davon nicht im Geringsten betroffen. Falls er noch lebt, dann weiß der Teufel, wo er sich herumtreibt. Ihr – du und Kath -, seid zu alt, um irgendwo noch einmal ganz von vorne anzufangen. Corinna wird dazu zu schwach sein.« Jacob Prewitts Stimme senkte sich. Sein Blick wurde beschwörend. »Nimm Vernunft an, Amos. Mit Sturheit und falschem Stolz rettest du die Triangle-P nicht.«
Der Keeper brachte zwei Krüge voll Bier und stellte sie auf dem Tisch ab. Er hatte die letzten Worte Jacob Prewitts vernehmen können. »Zum Wohl«, sagte er und heftete den Blick auf den Rancher. »Sie sind sicher Amos Prewitt vom Salado Creek. Ihr Bruder hat mir von Ihnen erzählt. Haben Sie ein Problem?«
»Das ist gelinde ausgedrückt«, erklärte der Rancher grimmig.
Jacob Prewitt wandte sich an den Keeper. »Schick jemand zu Brad Malone, Charly. Sag ihm, dass ich ihm ein Geschäft vorschlagen möchte.«
»Ich will das nicht«, begehrte Amos Prewitt auf. Er sprach aber nicht gerade mit Nachdruck. Es war mehr eine hilflose verbale Auflehnung gegen das Ansinnen seines Bruders.
»Natürlich kann ich jemand zu Malone schicken«, meinte Charly, der Keeper. »Allerdings wird Malone wenig erbaut sein, wenn er umsonst hierher kommt.«
Jacob Prewitt legte seinem Bruder die Hand auf den Unterarm. »Sprich mit Malone. Er verfügt über die Mittel, um die Triangle-P zu retten. Malone kann man vertrauen.«
»Was ist das für ein Mann?«, fragte Amos Prewitt.
»Er kam vor einigen Wochen
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