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Die Legende von Carter Prewitt

Die Legende von Carter Prewitt

Titel: Die Legende von Carter Prewitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Hackett
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leid.«
    »Das sagt mir, dass du noch zu Gefühlen wie Mitleid und Barmherzigkeit fähig bist, Dad.«
    Shaugnessy drehte sich um, ging zur Pritsche und setzte sich, stellte die Ellenbogen auf die Oberschenkel und stemmte sein Kinn auf die Fäuste. Ein grüblerischer Ausdruck war in seine Augen getreten.
    »Erfuhr ich Barmherzigkeit?«, schnarrte Shaugnessy. »Wer hatte mit mir Mitleid? Ich habe eure Mutter geliebt. Mehr als mein Leben. Gott hat zugelassen, dass sie von einer blutrünstigen Rothaut ermordet wurde. War das barmherzig?«
    »Du bist ein Christ, Dad. Früher hast du uns vor dem Einschlafen aus der Bibel vorgelesen. Du hast an Gott geglaubt, an Jesus Christus und an die Heilige Dreifaltigkeit. Ma wurde ermordet. Gott hat sie bei sich aufgenommen. Sie …«
    »Hör mit diesem Unsinn auf! Eure Mutter ist tot. Ihr Grab befindet sich irgendwo in Wyoming. Das Kreuz, das ich aufgestellt habe, ist längst verrottet. Den Grabhügel hat der Wind abgetragen. Den Gott, von dem ich euch früher erzählt habe, gibt es nicht. Eure Mutter ist nicht im Himmel. Sie liegt einige Fuß unter der Erde. Die Kugel des Indianers hat sie ausgelöscht. Es gibt kein Weiterleben nach dem Tod.«
    »O doch. Ma ist bei uns. Und sie sieht, was aus dir geworden ist. Ein Mann, den Hass und Rachsucht zerfressen haben und der vor nichts und niemand halt macht, der zwei Kinder elend sterben lässt, nur um …«
    Shaugnessy sprang auf. »Du und Brandon – ihr geht mit mir, wenn …«
    Die Tür des Zellentrakts wurde aufgerissen. Es war Town Marshal Chuck Haines, der rief: »Sie müssen das Office verlassen, Virginia. Carter Prewitt ist mit einem Dutzend Reitern im Anmarsch. Wahrscheinlich will er Ihren Vater herausholen, um ihm den Mund zu öffnen.«
    »O mein Gott!«, entfuhr es der jungen Frau.
    »Schnell! Ich weiß nicht, wie weit Prewitt zu gehen bereit ist. Wenn Sie hier bleiben, sind Sie in Gefahr.«
    »Geh!«, stieß Cole Shaugnessy hervor.
    »Wo sind die Kinder, Dad?«, beschwor Virginia ihren Vater, ihr das Versteck zu verraten.
    Wortlos wandte sich Shaugnessy um, ging zu dem kleinen, vergitterten Fenster, und starrte zwischen den Gitterstäben hindurch in die Dunkelheit hinein.
    Chuck Haines Hand legte sich um den Oberarm Virginias, mit sanfter Gewalt schob er sie durch die Tür, dann durchs Office und schließlich hinaus auf den Vorbau. »Gehen Sie ins Hotel und bleiben Sie dort, Virginia«, wies sie der Town Marshal an.
    Wie von Schnüren gezogen setzte sich die junge Frau in Bewegung. Sie war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Chuck Haines nahm sein Gewehr, löschte im Office das Licht aus und verriegelte die Tür. Dann bezog er neben dem Fenster Stellung. Angespannt wartete er. Nach einiger Zeit war entferntes Hufgetrappel zu vernehmen. Es verdichtete sich schnell, quoll wie eine Warnung vor Unheil und Verderbnis heran und brachte Chuck Haines' Nerven zum vibrieren.
    Vor dem Office brachen die Hufschläge ab. Einige Männer sprangen von den Pferden und rannten auf den Vorbau, einer rüttelte an der Tür und rief: »Sie ist verschlossen, Boss.«
    »Brecht sie auf!«, gebot Carter Prewitt.
    Ein Gewehr krachte. Dann erklang eine stählerne Stimme: »Wir lassen nicht zu, dass Sie in Rock Creek den Teufel aus dem Kasten lassen, Prewitt. Sollten Ihre Männer versuchen, die Tür zum Office aufzubrechen, schießen wir.«
    In der Dunkelheit zwischen den Gebäuden wurden Gewehre geladen.
    »Gebt es diesen Idioten!«, fauchte Carter Prewitt. »Reißt dieses Nest nieder und zündet es an!« Er setzte mit einem harten Schenkeldruck sein Pferd in Bewegung und feuerte mit einem Revolver blindwütig in die Dunkelheit hinein.
    Flüche wurden laut. Zwischen den Gebäuden blitzte es auf. Einer der Triangle-P Reiter wurde vom Pferderücken gefegt. Die anderen sprangen ab und rannten wild um sich feuernd in Deckung. Die Schüsse peitschten über die Straße. Der Knall stieß über die Fahrbahn und gegen die Häuserfronten. Das Echo flatterte über die Dächer hinweg. Menschen schrieen auf, heisere Stimmen brüllten.
    Schließlich verklangen die Detonationen. Hunde, die vom Krachen der Schüsse erschreckt worden waren, bellten wie von Sinnen.
    Die Reiter von der Triangle-P lagen unter Vorbauten, kauerten hinter Regenwasserfässern oder knieten hinter den Tränketrögen am Fahrbahnrand. Das höllische Konzert, das die außer Rand und Band geratenen Hunde veranstalteten, erfüllte die Nacht.
    Carter Prewitts raue Stimme erklang:

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