Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
sehen«, sprach der Neuankömmling behutsam, als könnte er sonst einen Schläfer aufwecken, »und doch ist dieser Moment, in dem der Herzschlag endet und noch Leben im Körper weilt, stets faszinierend. Jedes Mal entdecke ich etwas Neues, und es scheint von Barbar zu Barbar verschieden. Und dann, als würde der Verstand begreifen, dass der Leib unwiderruflich vergehen muss, zieht die Seele aus.«
    Tarslok ließ die Karaffe fallen und machte zwei, drei Schritte rückwärts. Der Wein ergoss sich auf den Marmor.
    »Da! Genau jetzt passiert es«, wisperte der Alb begeistert. Er näherte sich dem Sterbenden weiter und hielt den Kopf dabei leicht schräg,rblonde Strähnen glitten nach vorne. »Dein Tod heißt Sinthoras, König Lanfried. Ich nehme dir das Leben, das du selbst verspieltest. Dein Siegelbewahrer sprach wahre Worte, als er sagte, in jedem Schatten lauere der Tod. Und wir selbst bringen Schatten, wie es uns beliebt.«
    Nun erst öffneten sich des Herrschers Finger. Der schwere Pokal fiel auf den Boden, und die teure Schale aus vergoldetem Glas zersprang.
    Wein flutete die hellen Stufen, Lanfrieds Leiche sackte zusammen, kippte langsam nach vorne, während Sinthoras die hauchdünne Klinge aus ihm zog. Das Blut sickerte aus der Wunde und tränkte das goldene Gewand; mit einem dumpfen Rumpeln landete der Leib auf der kleinen Treppe und blieb mit dem Gesicht nach unten liegen.
    Tarslok zitterte weiterhin vor Angst. Die Albae hatten eine besondere Stimmfarbe, die ebenso elegant wie gefährlich klang. Kein dämonisches Kriegsgebrüll oder das Geschrei eines Orks hätte den dünnen Adligen wirksamer einschüchtern können.
    Sinthoras blieb, wo er war und betrachtete die unterarmlange Waffe, an deren Schneiden sich das Blut des ermordeten Königs sammelte und Tröpfchen bildete. »Die Klugen verschließen ihre wahre Meinung tief in sich.« Er richtete den Blick aus den schwarzen Augen nun auf Tarslok. »Sieh nur! Der Thron des Hauses Immenwald ist frei!« Er klopfte anbietend mit der Hand auf die Rückenlehne. »Wie steht’s, Siegelbewahrer? Wer es sich nimmt, dem gehört’s.«
    »Herr, sein Sohn ist rechtmäßiger Anwärter!«
    Sinthoras schüttelte sachte den Kopf. »Ich könnte dir beistehen, bis es niemanden mehr gibt, der zur Erbfolge bereitstünde. Wenn du es nur möchtest.« Er zielte mit der feuchtglitzernden Klinge auf ihn. »Und, möchtest du?«
    Tarslok wich noch mehr vor dem gefühllos lächelnden Alb zurück, der ihm unsägliche Furcht einflößte. »Ich lehne … die Regentschaft ab. Ich will damit nichts zu tun haben!«
    »Wegen des Mordes, der auf deinem Titel lastete?« Die dunklen Augen verengten sich. »Aber wenn sie dich für den Mörder halten? Betrachten wir es nüchtern: Du warst alleine mit ihm, und man kennt deine Vorliebe für Ränke. Wer sollte es sonst gewesen sein?« Er lachte ganz leise. »Du kämst nicht lebend zum Tor der Burg hinaus. Bedachtest du dies, als du meinen Vorschlag ablehntest?«
    »Ich …« Der Siegelbewahrer wollte raus aus diesem Raum, in dem sich mehr und mehr der metallische Geruch von warmem Blut verbreitete.
    Er wusste nicht, ob er um Hilfe rufen sollte oder nicht. Doch der Alb würde jeglichen Soldaten schneller niederstechen, als ein Blatt vom Ast auf die Erde stürzte.
    Tarslok zwang sich, stehen zu bleiben. »Was verlangt Ihr von mir, Herr?«
    Sinthoras verharrte in seiner lässigen Haltung. »Lanfried erwähnte die Schwester der verstorbenen Artaina und ihre Begeisterung für mein Volk. Du wirst zu ihr reisen und herausfinden, ob diese Begeisterung vorgetäuscht ist oder ob sie uns eine bessere Verbündete sein könnte als der tote Narr auf den kalten Marmorplatten.«
    Tarslok verbeugte sich. »Das werde ich. Und wie finde ich Euch, um Bericht zu erstatten?«
    Der Alb erhob sich geschmeidig, ohne dass ein Geräusch erklang; nicht einmal seine Rüstung oder seine Schuhe gaben ein Knirschen von sich. Er reinigte die Klinge sorgfältig am Gewand des Ermordeten und verstaute sie in der Hülle, die auf seinem Rücken auf Hüfthöhe verborgen lag. »Kehre nach deiner Mission in dein kleines Schloss zurück, und ich werde dort sein.«
    Der dürre Adlige wandte sich um – und rannte genau in das schmale Schwert, das auf seinen Hals gezielt hatte.
    Ruckartig wurde es ihm durch die Kehle gestoßen, sodass es auf der anderen Seite austrat und die Wirbel knirschend zerteilte.
    Stumm und zuckend brach Tarslok zusammen, stürzte keine zwei Schritte von der Leiche des

Weitere Kostenlose Bücher