Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

nach Tark Draan echten Besuch an der Grenze erhielten. Bislang war es bei Übungen geblieben, um Verbesserungen in den Abläufen zu erzielen.
    Es lohnte sich. Damit ist kein Überrumpeln möglich. Erst dann wandte Caphalor den Blick gen Norden, um nach den Besuchern zu schauen.
    Ein einsamer Fahnenträger, der das weiße Banner an einer langen Stange am Rücken befestigt trug, näherte sich ihnen im steten Laufschritt. Die Kreatur glich aus der Ferne einem Óarco, doch bewegte sie sich weniger plump.
    Caphalors gute Augen zeigten ihm eine leichte, dunkelbraune Lederrüstung, die mit weißen Runen akkurat bemalt war; der Kopf lag unter einem schlichten Kupferhelm verborgen, der einen schmalen Schlitz für Augen, Mund und Nase frei ließ. Waffen trug der Läufer keine.
    Der Unbekannte setzte mit gekonnten, sicheren Sprüngen über Gräben hinweg, trabte an den Gestängen vorbei und überwand die Reste der Mauern ohne Schwierigkeiten und ohne seine Geschwindigkeit zu verringern. Harnisch und Lederhose gaben deutlich zu vernehmende, reibende Geräusche von sich.
    Nah genug. Bringen wir ihn zum Stehen. »Eine Salve rechts neben ihn«, rief Caphalor zur Barrikade.
    Es klackte hell, als ein Speerkatapult ausgelöst wurde.
    Neun Geschosse schossen schwirrend durch die Luft und jagten zielgenau neben dem Unbekannten durch die Überbleibsel eines Zeltes, um sie davonzureißen.
    Der Läufer blieb abrupt stehen. Er drehte den behelmten Kopf langsam von rechts nach links, um die Barrikade und das Bollwerk der Unterirdischen zu betrachten; die muskulösen Arme hingen seitlich herab, als bräuchte er sie nicht.
    »Was bringst du uns?«, rief Caphalor hinab und staunte innerlich erneut, wie klar und deutlich seine Stimme in der kalten Luft schallte und als leises Echo von den Hängen zurückkehrte.
    Der Besucher erwiderte nichts.
    »Sahst du diese Symbole je zuvor?«, raunte Caphalor dem Gardant zu.
    »Nein. Auch die Art, wie seine Panzerung beschaffen ist, kenne ich nicht.« Sogàtor schnaubte verächtlich. »Ist das ein Kupferhelm? Gegen welche Waffe soll er taugen?«
    Der Gerüstete legte den Kopf in den Nacken und begutachtete den rechten Turm.
    »Sag: Ist es ein Angebot für die Unauslöschlichen, um beim Feldzug zu dienen?«, versuchte es Caphalor erneut. Tief in seinem Verstand regte sich etwas. Diese Runen … Ähnliche sah ich bereits – doch wann? Und wo?
    Der Läufer blieb stumm. Nun wurde der andere Turm eindringlich von ihm gemustert.
    Als würde er es sich für eine Zeichnung einprägen. »Dies sind meine letzten Worte an dich. Erkläre dich, oder die nächste Speere gelten dir!«
    Die albischen Warnfanfaren erklangen erneut.
    Sogàtor richtete die Blicke den Steinernen Torweg entlang. »Da sind noch welche, aber sie … gehören nicht zu ihm, schätze ich, Benàmoi.«
    An der Barrikade wurden Anweisungen gerufen, längst war das Katapult nachgeladen.
    Die Zeichen auf den Mänteln der fünf Berittenen, die heranpreschten, kannte Caphalor sehr gut. »Barbaren aus dem Stamm der Jomoniker«, murmelte er verwundert. Für ihn sah es aus, als verfolgten sie den Unbekannten. Interessant .
    Der Läufer hatte den Kopf wieder gesenkt und das schmale Schlitzvisier auf die Barrikade gerichtet, ohne sich zu rühren.
    »Er scheint im Stehen eingeschlafen zu sein.« Sogàtor steckte die Rolle mit den Plänen ein. »Wir sollten die Jomoniker fragen, was vor sich geht und wer dieser Gerüstete ist.«
    Caphalor kämpfte gegen den Drang an, den Schussbefehl zu geben. Die friedliche Haltung wollte nicht zu der unheilvollen Ausstrahlung passen, die von dem Unbekannten ausging. Das weiße Banner wehte im Wind, wellte sich und tanzte.
    Die Barbaren kamen heran, galoppierten schreiend und mit gezogenen Äxten durch die Ruinen der Zeltstadt und hielten unvermindert auf den Gerüsteten zu.
    »Sie werden ihn niedermähen«, prophezeite Sogàtor. »Damit stirbt auch jede Neuigkeit, die der seltsame Besucher für uns bei sich trägt.«
    Darauf lasse ich es ankommen. Caphalor verharrte. »Nicht schießen«, rief er seine Anweisung an die Besatzung.
    Der erste Reiter preschte dicht am Gerüsteten vorbei und drosch dabei die Axt gegen den Helm. Der Einschlag wäre mörderisch und würde den Schutz samt Schädel zerplatzen lassen.
    Klirrend zersplitterte die schwere Klinge jedoch an der rötlich-metallenen Oberfläche, der Stiel zerfaserte.
    Der Gerüstete stand unbeweglich und unzerstört wie eine Statue aus reinstem Stahl.
    Der zweite Angreifer