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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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schreckliche Entdeckung nicht erspart.
    »Ihr Götter und Unauslöschlichen«, wisperte Caiphôra und stützte den schwankenden Yágôras, der den Anblick kaum ertrug.
    In großer Höhe auf einem verwitterten Rad befestigt fanden sie Raikânors zerteilten und geschändeten Leichnam. Arme und Beine waren abgehackt und einzeln mit langen Nägeln in den Speichen festgeschlagen, der geschorene Kopf des Albs hing auf der Radnabe, seine langen, blonden Locken ragten aus dem geöffneten Mund. Das Blut tropfte vom Rad und lief am Mast hinab. Der dazugehörige Torso lag darunter, achtlos hingeworfen und mit wuchtigen Axtschlägen zerteilt.
    Caiphôra las die Botschaft, die mit Blut auf Raikânors abgezogene bleiche Haut in Allgemeinsprache geschrieben stand und am Mast im Wind flatterte.
    Mein Name ist Fa’losôi aus der Familie der Nhatai,
    Ich tue kund,
    dass die Familie der Nhatai nicht eher ruht,
    bis der Mörder meines Großvetters gefunden
    und getötet ist.
    Bis dahin ist
    jeder Alb
    Freiwild für die Familie der Nhatai.
    Sollte die Nachricht zum Mörder meines Vetters gelangen:
    Stell dich und rette unzähligen Albae
    das Leben.
    Denn ich werde kommen
    und mir
    alle
    nehmen,
    die ich bekommen kann.
    Yágôras riss den beschriebenen Hautfetzen ab und legte eine Hand gegen das blutgetränkte Holz. Anschließend betrachtete er die geröteten, glitzernden Finger, legte den Kopf in den Nacken und sah zu Raikânor hinauf. »Diese Endlichkeit hattest du nicht verdient.«
    Caiphôra legte dem Alb die Hand auf die Schulter. »Begraben wir ihn.«
    »Nein«, kam es sofort aus Yágôras’ Mund. »Ich will diesen Mast mit ihm daran verbrennen. Nichts darf an die Botoikerin und ihre Tat erinnern.« Er blickte die Albin bittend an.
    Caiphôra nickte.
    Als es Nacht wurde, standen sie vor den zuckenden Flammen, die sich an dem Pfahl hinauffraßen. Westwind hielt die Lohen am Brennen, fachte sie an und sorgte für ein weithin sichtbares Fanal.
    »Das wird ihm gerecht.« Yágôras schauderte. »Strahlend vergehen, nicht vermodern und verwesen.«
    So darf es nicht enden. Nicht für ihn, nicht für mich und nicht für diejenigen, denen wir unsere Herzen schenkten. Caiphôra legte einen Arm um den Goldstählernen. »Denkst du, dass Lieder ausreichen werden, um sie zu ehren?«
    Er sah sie an. »Was schwebt dir vor?«
    »Wir beide kehren zurück in die Goldstählerne Schar. Als Paar und obwohl wir einander nicht lieben«, erklärte sie. »Aber die Liebe zu Raikânor und Haïmoná sowie die Dankbarkeit für das, was sie für uns taten und auf sich nahmen, schweißt uns fester zusammen als es jedes vergängliche Gefühl zu tun vermag.«
    Yágôras’ Antlitz wurde noch ernster, aber in seinen Augen las sie bereits Zustimmung zu ihrem Vorhaben. »Ob die Unauslöschlichen erlauben, dass wir –«
    »Ich bin eine herausragende Asfámchai, du bist ein Ntîstai, der seine Prüfung bestand«, unterbrach sie ihn. »Weswegen wir uns auf dem Schlachtfeld beschützen und alles tun, um die Schar vor Leid zu bewahren, ist unerheblich.« Sie küsste ihn behutsam auf den Mund. »Ich schwöre bei Haïmoná, dass ich niemals von deiner Seite weichen werde, bis zu meinem Einzug in die Endlichkeit. Nichts wird mich dazu bringen, dich im Stich zu lassen.«
    »Ich schwöre es dir bei Raikânor«, erwiderte Yágôras bewegt und legte seine Lippen sanft auf ihre. »Wir werden die besten Goldstählernen sein, die es jemals gab.«
    Caiphôra und er sahen sich fest in die Augen, während das Feuer um den Mast toste und Funken in den Nachthimmel gen Osten trug.

Süßer Wein
    und süße Schmeicheleien
    eint eines:
    Sie verursachen oftmals Unwohlsein.

Über den Sinn der Kunst
    Briefwechsel zwischen Minálor und Phaimônae
gefunden in Tark Draan
    Geschätzter und gehasster Minálor,
    als ich letztens vor meiner Staffelei stand, fragte ich mich, welchen Sinn die Kunst eigentlich verfolgt und was uns antreibt, sie nicht nur zu betreiben, sondern auch besser zu werden und nach Vollkommenheit zu streben.
    Ist es ein Bedürfnis wie Atmen und Essen?
    Woher kommt es?
    Es grüßt
    Phaimônae
              
    Unwürdige Phaimônae,
    diese Frage ist nicht von Bedeutung, denn was Du an der Staffelei vollbringst, ist keine Kunst.
    Was mich betrifft: Ich erschaffe marmorne Göttlichkeit, deren Auftrag und Aufgabe es ist, den Betrachter in Staunen über mich und meine Fertigkeiten zu versetzen sowie Wohlbefinden auszulösen.
    Es grüßt

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