Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
manipulieren zu können. Fehlt mir nur noch die Gelegenheit.
Nebel stieg aus dem Moos auf und kroch an den Stämmen nach oben wie die Flut eines Geistermeeres. Die Gespinste wogten und brachen sich wirbelnd an den Bäumen; die Temperaturen sanken spürbar.
Carmondai schlug die Blätter in Wachspapier ein, bevor die Feuchtigkeit nach ihnen greifen konnte. Schade. Ich hätte den Anblick zu gerne gezeichnet. Er spürte den leichten Nässefilm, der sich auf seinem schäbigen Mantel bildete.
Carâhnios hatte sich erhoben und schien ganz der Alte zu sein. »Gehen wir.« Er suchte eine der bekannten Flaschen mit dem silbrigen Zusatz aus seinem Gepäck und drückte sie dem Alb in die Hand. »Wie gesagt: Du weißt, wie es läuft. Aber hüte dich vor den Fallen.«
»Wie wäre es, wenn du mich warnst?«
»Damit ich dem Schwarzauge verrate, dass wir zu zweit sind?« Er schnaubte abweisend. »Zudem macht es deine Flucht überzeugender, wenn du um dein Leben bangen und kämpfen musst.« Er zeigte in den Wald. »Voran, mein erzwungener Verbündeter. Aber wehe, du lässt die Flasche zu Bruch gehen.« Der Zhadár grinste dämonisch aus dem Helm heraus. »Dann hole ich mir nämlich dein Blut!«
Carmondai zweifelte nicht daran. Er begab sich auf den Weg, nahm vorher noch seinen Rucksack und einen Packen Blätter.
Der Nebel, der ihm nun bis an die Oberschenkel reichte und vorhin noch malerisch gewirkt hatte, erwies sich als tückisch: Er sah nichts vom Untergrund, weder ob eine Schlinge, eine Klinge oder harmloses Moos auf ihn wartete. Daher bewegte er sich langsam und mit der Stiefelspitze tastend vorwärts.
Bald erreichte er das Dorf, das nicht mehr als eine Ansammlung von ein paar zerfallenen Hütten war und auch zu bewohnten Zeiten kaum anders ausgesehen haben konnte. Der Wald hatte sich bereits große Teile davon zurückgeholt. Kleine Bäume erhoben sich inmitten der Siedlung, hatten die Gebäude beim Wachsen zur Seite gedrängt, die Dächer gesprengt oder auseinandergedrückt.
Hier und da lagen noch Knochenstücke, die von der Sonne ausgebleicht oder mit Moos bewachsen waren, das an gräulichen Schorf erinnerte.
Und nun? Weiter geradeaus? Carmondai sah sich um, entdeckte den Zhadár nirgends. Mit etwas Vorstellungsgabe vermochte man Wirbel in den Gespinsten als Hinweise deuten, wo der Unterirdische entlangschlich.
Da er keine gewisperten Anweisungen bekam, ging er behutsam voran, durch das Dorf und in den unaufhörlich steigenden Nebel, der ihn mittlerweile bis zur Taille umfing.
Carmondais Anspannung stieg, er schwitzte. Je näher er dem Versteck kam, umso wahrscheinlicher würde er auf eine Falle treffen.
Dann erkannte er einen verwitterten Baumstamm, der knappe fünf Schritt in die Höhe ragte und abgebrochen schien.
Hätte ihm Carâhnios nicht berichtet, dass es sich um bemalten Granit handelte, Carmondai wäre ahnungslos daran vorbeigelaufen.
Wie laut muss ich sein, damit man mich hört? Aufstampfen hielt er in Anbetracht der Fallen für keinen guten Einfall, auch das Hinfallen oder das vorgetäuschte Hinken schieden aus. Seine Gedanken drehten sich weniger um den oder die Gegner, sondern um die tödlichen Vorrichtungen. Zerraspelt hatte man den Holzfäller gefunden.
Regungslos stand Carmondai im Nebel.
Darauf hätte ich gleich kommen können. Er bückte sich, tastete durch das flüchtige Weiß nach einem Ast oder einem Stein, den er werfen konnte.
Seine Finger bekamen ein Stück Holz zu fassen, er hob es an – und es klickte.
Ishím Voróo, Albaestadt Dsôn Elhàtor, 5452. Teil der Unendlichkeit (6491. Sonnenzyklus), Sommer
Aiphatòn verließ das Gemach, das ihm Ávoleï gezeigt hatte, und trug ein rockähnliches Gewand aus heller Seide, das von der Hüfte abwärts seine Beine bis zu den Füßen bedeckte und ihn stark an seine eigene Kleidung erinnerte, die er im Geborgenen Land angelegt hatte.
Es war warm genug, dass er auf ein Hemd verzichtete und man die Panzerplatten auf seiner Haut sah; seine Füße steckten in offenen Sandalen. Ungewohnt war für ihn, auf seinen Speer verzichten zu müssen. Die Panzerhandschuhe bildeten die einzigen Waffen, die ihm geblieben waren. Ein Bediensteter hatte ihn rasiert und die schwarzen Haare im Nacken bis auf die Höhe der Ohren gekürzt.
»Kann ich so vor deine Gevatterin treten?«, erkundigte er sich bei Ávoleï.
Sie musterte ihn eindringlich, umwanderte ihn einmal, die gelblich grünen Augen glitten hinauf und hinab. Sie selbst trug Hemd und Hose,
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