Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
Nadelbäumen schuf eine Farbenvielfalt, die ihresgleichen suchte.
Carmondai bedauerte es sehr, diese Pracht nicht auf Papier festhalten zu können. Mit Tinte blieb es Einheitsschwarz und höchstens Grau. »Was haben sich die Aklán dieses Mal ausgedacht, um sich ein Refugium zu schaffen, in das niemand freiwillig einen Fuß setzt? Erneut einen Tempel?«
»Wesentlich raffinierter: eine Legende .« Carâhnios kicherte. »Man merkt, dass sie dich ins Verlies warfen, denn sonst hättest du sie längst aufgeschrieben.«
»Und wie lautet sie?«
»Ich bin kein Geschichtenerzähler wie du und lasse es daher bleiben, mit ausgeschmückten Einzelheiten zu protzen.« Der Zhadár zeigte auf einen Abschnitt des Waldes, wo nur Schwarztannen wuchsen. »Dort hauste ein Wesen, das die besten Krieger und Kriegerinnen der Albae verschlang, die vor zweihundert Zyklen auszogen, um es zu vernichten. Vier Köhlerdörfer sind dem Wesen zum Opfer gefallen, und so beschloss man, die Gegend aufzugeben.« Er ließ das Pony antraben.
Carmondai seufzte. »Das war die Legende?«
»Ja. Das war sie.«
Nein, er ist kein Geschichtenerzähler. »Das hält die Menschen davon ab, sich in das Gebiet zu wagen?«
»Wie jede Legende enthält sie gewisse Wahrheiten. Die Köhlerdörfer wurden von den Albae selbst ausgelöscht, die Menschen abgeschlachtet und sehr bestialisch in Fetzen ringsherum verteilt. Auch entlang der Straße«, erzählte Carâhnios und zog den Helm ab. Darunter kam kurzes, schwarzes Haar zum Vorschein. Er wirkte wie ein lebendig gewordener Zwergenschatten, der sich seinem Herrn davongestohlen hatte; dass er auf einem weißen Pony saß, betonte die Besonderheit. »Natürlich wurde das von Reisenden und Händlern bemerkt, und mit der passenden Legende, die ich dir eben berichtete …«
»Das war keine Legende. Das war eine Zusammenfassung«, fiel Carmondai ihm ins Wort und verfluchte die Ketten und das Geschaukel und die Tinte. Ich werde es mir merken müssen. »Wie lange wird sich die Legende halten, da es keine Albae mehr gibt, die den Anschein erwecken, die Bestie sei noch am Leben?«
»Sobald auch nur ein Mutiger sich hineinbegibt, dauert es nicht lange, und man findet ihn zu feinen, kleinen Stückchen zerrissen.«
»Also Vorrichtungen?«, schätzte Carmondai.
Carâhnios klemmte sich den Helm unter den Arm, spendete zu laut und zu lange Beifall, dazu kicherte er in seiner verrückten Art. »Die Aklán haben ausgeklügelte Fallen errichten lassen, die sich selbst neu spannen, nachdem sie ausgelöst wurden. Der letzte Mord der vermeintlichen Bestie liegt achtzig Umläufe zurück. Damals blieb von einem Holzfäller nur Zerraspeltes übrig.«
Carmondai folgte dem Zhadár. »Wo genau liegt das Versteck?«
»Im Mittelpunkt der vier Dörfer, der Eingang liegt in einem scheinbar alten, abgestorbenen Tannenstamm. Aber er besteht aus bemaltem Granit und ist mit noch mehr Fallen gesichert.« Er zwinkerte ihm zu. »Freust du dich schon?«
»Sehr.«
Schweigend ritten sie den Weg hinab, der nach Südwesten und Aichenburg führte, bis Carâhnios das Pony rechts durch das Gestrüpp und runter von der Straße lenkte; dabei setzte er seinen Helm wieder auf.
Es scheint gefährlich zu werden. Carmondai blieb dicht hinter ihm, bis der Zhadár nach einer Meile am Ufer eines kleinen Baches anhielt und abstieg.
»Hier warten wir. In einer halben Meile liegt das erste Dorf.« Er löste die Ketten seines Gefangenen und tränkte sein Reittier.
Der Alb rutschte aus dem Sattel und streckte sich. Das Sonnenlicht wurde durch die dichten Tannen grünlich gefärbt, es roch intensiv nach Moos, Harz und Erde. Nadeln knisterten unter den Sohlen. Die Laubbäume musste man suchen. Als würden sie sich nicht in die Dunkelheit wagen. »Ein schöner Wald.«
»Wenn man ein Elb ist.« Carâhnios lachte glucksend. »Aber wieso sagt er dir zu? Ist das die Verwandtschaft zu den Spitzohren, die dich das empfinden lässt?«
Carmondai führte sein Pferd ebenfalls an das Gewässer, um es trinken zu lassen. »Meine Art, die Dinge zu sehen, ist nicht unbedingt die von uns allen.« Er atmete die kühle, nach Pilzen riechende Luft ein. Rasch schöpfte er mit den Händen von dem dahinsprudelnden Nass und wusch sich das Antlitz mit dem Stückchen Seife, das er wie einen Schatz hütete, danach trank er ausgiebig. Kalt und köstlich. »Ein Wald ist etwas Schönes.«
»Auch wenn er nicht brennt?«
Carmondai lächelte. »Spricht aus dir der Zhadár oder der
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