Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
Aiphatòn muss durch mich sterben. Tanôtaï fuhr die Linien auf ihrem seitlichen Oberschenkel nach, spürte ganz leicht unter der Haut die Farbe, die mehr als das war.
Es handelte sich dabei um Extrakte von Pflanzensäften, destilliert und magisch aufbereitet, bevor sie mit der Nadel eingebracht wurden. Zusammen mit den richtigen Bewegungen setzten sie die Zauber frei, was sowohl im Kampf als auch beim Tanz geschehen konnte.
Tanôtaï kannte Fälle von Selbstentzündungen oder gar Explosionen, Vergiftungen und Erstickungen, weil die Schritte nicht stimmten oder die notwendige Genauigkeit fehlte, was zur Veränderung der Zaubersprüche führte.
Magie verzeiht nichts.
Die rothaarige Albin brach sich vom dunklen Brot ab und tauchte es in den Tiegel Rahm, der vom Mahl noch auf dem Tisch stand, genoss die leichte Süße und Frische.
Während Vailóras, die Landleute und die Krieger ein Gespräch über die Ernte führten, kehrte sie gedanklich zu dem Abend zurück, als sie Aiphatòn genau gegen die Brust getroffen hatte.
Was machte ich falsch? Er hätte tot sein müssen. Sie betrachtete ihre rechte Hand, deren Fingerkuppen sich nach der Entladung schwarz verfärbt hatten und seither beständig kribbelten. Sollte ich froh sein, dass ich es überlebte – im Gegensatz zu Lethòras?
Hastige Schritte näherten sich dem Haupthaus, die Tür wurde zusammen mit dem Klopfen aufgerissen.
Alle wandten die Köpfe zum Eingang und sahen einen keuchenden Barbarenjungen, dem der Schweiß von den Schläfen und der Stirn rann.
»Wir sahen ihn«, stieß er atemlos hervor. »Den Verschwörer. Er lief westlich an unseren Feldern entlang, und mein Vater sandte mich sofort los, damit ich euch hole.«
Vailóras erhob sich, seine Krieger taten es ihm nach und ergriffen die Helme, die sie an die Stuhllehnen gehängt hatten. »Bist du dir sicher?«
Der Junge nickte. »Vater sagte, dass er absolut sicher sei. So einen Alb habe er noch nie gesehen.« Er bekam von der Bäuerin ihren Wasserbecher gereicht, durstig trank er daraus. »Nach Westen«, wiederholte er. »Dem Sternbild des Ishtainor folgend.«
»Sehen wir nach.« Vailóras ging an ihm vorbei und strich ihm über den Kopf, ein anderer Krieger drückte ihm eine Münze in die Hand.
Tanôtaï bildete den Schluss. Die Farben in ihrer Haut erwärmten sich, das Herz schlug schneller und weckte die Magie aus ihrem Schlummer. Ich danke dir, Inàste!
Die Nachtmahre waren hurtig gesattelt, dann ging es los.
»Eine Linie bilden«, befahl Vailóras im Reiten, »damit er uns nicht entgeht.«
Die Gruppe fächerte auf, die Rappen galoppierten im Abstand von fünfzig Schritten nebeneinander durch die Nacht. Die roten Augen leuchteten, die Hufe trafen blitzend auf die Erde.
Tanôtaï sah die Gestirne über ihnen, die den Weg wiesen. Ihre Aufregung stieg unaufhörlich; Wind fing sich in ihrer roten Mähne und schien sie zu einer Lohe zu machen. »Er gehört mir«, schrie sie nach rechts und links. »Ich habe das Anrecht auf seinen Kopf.«
Vailóras lachte. »Einer Todestänzerin werde ich ihren Wunsch nicht verwehren, sonst forderst du mich noch auf, mit dir einen Reigen zu beginnen.«
»Hier drüben«, rief der Krieger links außen in ihrer Formation. »Spuren im Sand. Sie führen auf den Wald zu.«
Die Albae schwenkten leicht ein und hielten auf den Forst zu, der in seiner Gesamtheit wie ein schwarzer Klumpen vor ihnen emporragte.
Der Weg zwischen den Stämmen hindurch würde die Geschwindigkeit der Nachtmahre verringern, aber Tanôtaï sah zu ihrer Beruhigung, dass die Bäume weit genug auseinander standen und es so gut wie kein Unterholz gab.
Du wirst uns nicht abschütteln , dachte sie grimmig und jagte als Erste in den Wald hinein. Sie verschwendete einen kurzen Gedanken daran, warum Aiphatòn nach Westen flüchten sollte, wo doch der Durchgang nach Tark Draan im Südosten von Dsôn Dâkiòn lag. Weil er seinen Speer haben will.
Rechts und links von ihr knackten dünne Äste unter den Hufeisen der Rappen, grell flackerten die kleinen Entladungen um die Fesseln der Raubtiere auf und warfen helles Licht auf die Rinde, sodass es schien, als wüte ein Gewitter mitten im Hain.
Tanôtaï sah die Abdrücke vor sich, die der Gesuchte hinterließ. Die Rüstung lässt ihn im Moos einsinken. Sie brachte den Nachtmahr zum Traben, richtete die Augen abwechselnd nach vorne und nach unten.
Dann sah sie eine Reflexion vor sich. Eine Gestalt huschte im Schutz der Stämme vorwärts.
»Da vorne«,
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