Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
rief sie der Truppe zu und trat dem Hengst die Sporen in die Seite, sodass er aufbrüllend in Galopp verfiel und zu dem Flüchtenden aufschloss. Mal verschwand dessen Silhouette für die Dauer mehrerer Herzschläge, dann erschien sie wieder.
Tanôtaï zog den linken Nadeldolch aus dem Unterarmschoner. Ich werde dich aus dem Sattel heraus abstechen wie einen wild gewordenen Stier. Dein Genick wird unter meinem Zauber explodieren und deinen Schädel durch die Luft fliegen lassen. Auf einen Tanz würde sie sich erst einlassen, sollte er ihrer ersten Attacke entgehen. Aber das wird nicht geschehen.
Die rothaarige Albin verlor ihn erneut für ein Blinzeln aus den Augen. Verflucht! Sie riss den galoppierenden Nachtmahr herum, um ihn an einem abgestorbenen Baumstumpf vorbeizulenken – als hinter dem Stumpf plötzlich die Gestalt hervortrat und sich genau vor den Rappen stellte.
Der Zusammenprall erfolgte beinahe zeitgleich.
Doch anstatt den Kaiser über den Haufen zu rennen und mit den Hufen zu zerstampfen, schien das Tier gegen einen unverrückbaren Pfeiler gerannt zu sein.
Aufröhrend knickte der Nachtmahr vorne ein, wurde herumgeschleudert und drückte den Kopf tief in den weichen Boden; laut knackend brach das Genick, die Knochen durchstachen das schwarze Fell, und das rote Glühen der Augen erlosch. Der Hinterleib schoss in die Höhe.
Tanôtaï riss geistesgegenwärtig die Füße aus den Steigbügeln. In hohem Flug ging es über die regungslose, blutbesprühte Gestalt hinweg, die noch immer dastand, als wäre der schwere Hengst eine leichte, harmlose Fliege gewesen.
Tanôtaï glaubte, einen kupferfarbenen Helm auf dem Kopf des Gegners zu sehen sowie eine braune Lederpanzerung und eine abgebrochene Fahnenstange auf seinem Rücken.
Mit der Erkenntnis, nicht den gesuchten Kaiser vor sich zu haben, rauschte sie in das tief hängende Geäst, ohne sich zu verletzen.
Die rothaarige Albin hielt sich an einem Ast fest, rutschte an den Blättern ab und stürzte dem Boden entgegen, was sie jedoch durch eine anmutige Drehung in eine sichere, katzenhafte Landung umkehrte. Die magischen Linien pulsierten und erhitzten sich.
Was war das? Wie kann er das ohne Weiteres überstehen? Sie hetzte zurück an die Stelle, wo der Zusammenprall erfolgt war, die Nadeldolche in den Händen.
Aber ihr Gegner befand sich nicht mehr dort.
Es roch nach dem austretenden Blut des Tieres, nach Harz und Erde. Der tote Nachtmahr hatte den weichen Boden deutlich aufgewühlt, und die Fußabdrücke des Widersachers wirkten noch tiefer als sonst.
Magie. Tanôtaï lauschte erregt auf die Geräusche im Wald und vernahm das Donnern der Hufe, sah das Blitzen und hörte die beunruhigten Rufe von Vailóras und seinen Kriegern, die nicht mitbekommen hatten, was ihr widerfahren war.
Die Todestänzerin lief los und folgte der Truppe.
»Gebt acht! Das ist nicht der Kaiser«, rief sie unentwegt. »Es …«
Plötzlich fiel ihr eine Erklärung für den Zusammenstoß sowie das merkwürdige Verhalten des Verfolgten ein. Die glühende Hitze in ihr nahm zu.
»Vorsicht! Oh, ihr Götter! Vorsicht!«, schrie sie und ließ die Klingen aufleuchten, damit sie von ihren Leuten gesehen wurde. »Es ist ein Ghaist! Ein Ghaist!«
Dann krachte und schepperte es laut, ein Nachtmahr wieherte wütend – und verstummte.
Diese verfluchten Botoiker. Ich dachte, der Regent hätte ihnen klargemacht, dass sie nichts bei uns zu suchen haben. Tanôtaï erinnerte sich zu spät an die Späher, welche die Verstandspfuscher aussandten, um nach Dörfern und Städten suchen zu lassen, die sie mit ihrer Massenmagie unterwerfen konnten.
Ein Ghaist, so erklärten es die Cîani, bestand aus gebundener Magie und vielen Seelen und täuschte eine menschliche Form vor. Der Kupferhelm mit den Runen darauf sowie die Waffenlosigkeit waren das Charakteristikum dieser Wesen, die sich durch nichts als durch enorme Hitze aufhalten ließen. Durch die Wärme verliefen die Symbole und verformte sich das Kupfer, sodass die Seelen nicht mehr in ihrem Gefängnis gehalten werden konnten.
Es war nicht lange her, dass die Cîani das pulkartige, durcheinanderrennende Heer einer der Botoiker-Familien vor Dsôn Dâkiòn mit Zaubersprüchen ausgelöscht hatten.
Sie werden übermütig. Tanôtaï sah den nächsten toten Nachtmahr sowie einen regungslosen Krieger darunter, der die Füße nicht mehr schnell genug aus den Steigbügeln bekommen hatte. Es schien, als hätten die übrigen Verstandspfuscher nichts
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