Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
Ôdaiòn. Wie könnte ich den Alb verraten, den ich liebe?«
Eine kleine Schauspielerin haben wir an Bord. »Der dir ein Leben als Herrscherin ermöglicht, was du in Dâkiòn vielleicht niemals geworden wärst«, führte er ihre Worte fort und lachte sie aus. »Ich mag augenscheinlich dein Alter haben, doch an Erfahrung nimmst du es nicht mit mir auf, Irïanora. Man spielt mit dir, wie du denkst, mit anderen zu spielen.« Aiphatòn sah zu Ávoleï, die ihre weiße Rüstung gerade gegen eine bräunlichgrüne tauschte, um im Grasland weniger aufzufallen. »Für sie bist du eine nützliche Figur. Mehr nicht. Niemand wird zögern, dich zu töten, sollte es die Lage erfordern. Und Ôdaiòn wäre der Erste, der dir das ach so liebende Herz aus dem Leib reißt.«
Nun schaute Irïanora ihn verächtlich an. »Du Abschaum aus Tark Draan«, zischte sie.
»Wie die Herrscherin der Stadt, deren Sohn du zum Gemahl nehmen möchtest«, hielt er dagegen. »Mir machst du nichts vor. Ich an deiner Stelle würde wachsam sein, wenn sich Ôdaiòn dir nähert. Hat er genug Spaß mit dir gehabt, wird er dich entsorgen. Bete, dass du lange den Anschein erwecken kannst, noch von Nutzen zu sein. Am Ende will dich weder dein Oheim noch der Herrschersohn. Was tust du dann?« Aiphatòn bereitete sich auf das Anlanden vor. Das wird sie unruhig genug gemacht haben und zu Fehlern verleiten. Mal sehen, was sie tut.
Der flache Bug ihres Schiffes schob sich den seichten Kiesstrand hinauf.
Die Mannschaft sprang über die Bordwand und vertäute das Boot mit Seilen sowie an langen Eisenstangen, die rasch in den Untergrund gehämmert wurden.
Mehr und mehr der Gefährte kamen längsseits und liefen absichtlich auf Grund. Die Flotte von einhundert Schiffen ging vorerst vor Anker, um den weiteren Fluss vor sich prüfen zu lassen und nicht in die Fallen der Verteidiger zu segeln.
Elhàtors geheime Boote ließen sich zerlegen und zu Sturmleitern und Katapulten zusammenfügen, die den Verteidigern zu schaffen machen sollten. Auch Brücken konnten daraus gefertigt werden, um über Lücken hinwegzusetzen, falls der Regent befehlen sollte, die Zugänge einreißen zu lassen. Zu den Tausenden Kriegern kamen Cîani, die sich auf die Auseinandersetzung bestens vorbereitet hatten.
»Denkst du, man lässt dich nach Tark Draan zu deinen Untertanen, wenn du deinen Speer zurückbekommen hast?«, raunte Irïanora.
»Wer will mich aufhalten? Du? Womit? Deiner Gabe der schlechten Mimenkunst?« Er sah, dass sich Ávoleï ihnen näherte, gefolgt von einer Gruppe von zwanzig Kriegern in den Tarnrüstungen; in ihrer linken Hand hielt sie eine zusammengerollte Karte. »Ich rate dir, dich in Sicherheit zu bringen, solange es dir möglich ist. Einer von den Soldaten wird Modôias Befehl haben, dich umzubringen. Sie will Ávoleï an der Seite ihres Sohnes sehen, nicht dich.«
»Er und die Elbin?«, brach es aus ihr heraus. »Lächerlich. Ôdaiòn mag sie nicht.« Sie wandte sich der Kommandantin zu.
Elbin? Aiphatòn hoffte, dass man ihm die Verwunderung nicht anmerkte, vor allem nicht Ávoleï, die sie gleich erreicht hatte. Es erklärte, was ihm Unwohlsein bereitete, bei aller Anziehungskraft, welche die Kommandantin auf ihn ausübte.
Ávoleï breitete auf der Reling die Karte aus, die einen genauen Verlauf des Stroms auf sich trug. »Wir erreichten den ersten sicheren Landepunkt«, erklärte sie.
Irïanora übernahm ungefragt die Erläuterung. Wohl um ihre Anwesenheit zu rechtfertigen und sich nach den Warnungen unentbehrlich zu machen. Aiphatòn grinste, während die blonde Albin auf unterschiedliche Stellen der Karte zeigte. »Das sind Untiefen, wo sich rasch Wirbel bilden. Die Schiffe könnten zur Seite gedrückt werden und mit der Breitseite zu den Wellen geraten«, führte sie aus. »Ich empfehle, dass sie Abstand halten. Mindestens zwei Längen.«
Ávoleï runzelte die Stirn. »Darum geht es gar nicht.«
»Nein?« Irïanora sah zu ihr, dann zu Aiphatòn, als befürchte sie, gleich von ihm attackiert zu werden. »Ich dachte …«
»Was wisst Ihr von den Petroleumlagern, die am Ufer weiter oben angelegt wurden?«
Die Nichte des Regenten schluckte, legte eine Hand auf den Bauch. »Davon höre ich zum ersten Mal«, gestand sie nach kurzem Zögern.
Ávoleï nickte. »Das dachte ich mir. Deswegen haben wir den Tronjor nicht umsonst seit Teilen der Unendlichkeit überwachen lassen.« Sie nahm einen Stift aus gepresstem Kohlestaub und markierte mehrere Biegungen.
Weitere Kostenlose Bücher