Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
auf den sie zuhielten. Das bedeutet, dass sie sich irgendwo auf die Lauer legten. Er richtete seine Augen an den Kriegern vorbei auf den Wald und den angrenzenden Sumpf. »Denkst du, es wäre möglich, dass sie im Moor eine zweite Garnison errichteten, wo sie die Truppen sammeln, um die Schiffe hinterrücks anzugreifen?«
Ávoleï schüttelte den Kopf. »Unsere Späher hätten es bemerkt. Sie waren rund um die Stadt verteilt und meldeten jede noch so geringe Veränderung, wie auch den Damm und den Kanal.«
Wohl wahr. Aber wo stecken sie jetzt? Aiphatòn blieb stehen, duckte sich und sprang mit einem gewaltigen Satz aus der Böschung auf das höher liegende Gelände, den Speer in der Linken haltend und herausfordernd gereckt. Das ist keine Finte des Regenten.
»Wahnsinniger!«, zischte ihm Ávoleï aufgebracht hinterher. »Ihr verratet uns!«
Aiphatòn ließ die Blicke schweifen, wartete auf einen Ruf, ein Hornsignal, einen Fanfarenstoß, eine Wolke aus Pfeilen oder eine Reiterschwadron, die aus dem Boden brach, weil sie sich eingegraben hatte.
Schwalben zogen hellrufend über ihn hinweg und jagten die scharenweise umherfliegenden Mücken; zwei Hasen hoppelten vorsichtig zwischen den Grashalmen und knabberten daran, und der Wind strich über den Alb hinweg und kühlte seine Haut.
Es ist niemand hier. Aiphatòn legte eine Hand über die Augen, schirmte sie gegen die Helligkeit ab und sah die geöffneten Tore, sowohl am unteren Zugang wie auch an den Zwischendurchgängen. »Die Stadt ist aufgegeben«, verkündete er seinen Begleitern.
»Das wollen sie uns glauben machen.« Ávoleï zog einen der Krieger an der Schulter zurück, der eben nach oben klettern wollte. »Es ist eine List, um uns zu Dummheiten hinzureißen. Kommt wieder zurück, damit …«
»Wir teilen uns auf.« Aiphatòn schritt auf eines der Eingangstore zu, hinter dem sich die Brücken Stufe um Stufe in die Höhe spannten. »Nimm dir fünf Krieger und prüfe den begonnenen Graben sowie den Damm. Die anderen gehen mit mir.«
Er musste grinsen, als er vernahm, wie sich Soldaten ihm anschlossen und Ávoleï fluchte. »Behalte die Zinnen im Auge«, riet er der Elbin. »Einer von uns wird dir Signal geben, sobald wir etwas fanden.«
Zusammen mit seinen Kriegern eilte er über die Ebene und gelangte an das Tor. Sie gingen durch das geöffnete Portal, ohne sich damit aufzuhalten.
Nichts wies auf einen Angriff oder eine Schlacht hin. Es gab keine Toten, keine Blutspritzer oder andere eindeutige Spuren.
Brücke um Brücke trabten sie vorwärts und drangen nach Dsôn Dâkiòn ein.
Das Taggestirn senkte sich rapide, der Himmel färbte sich rot und richtete den Hintergrund für die aufziehenden Sterne und den Mond her. Der Wind frischte auf, roch nach Staub und verbranntem Essen.
Die kolossale Siedlung bereitete ihnen einen stummen Empfang. Das Trappeln ihrer Sohlen auf den Steinen, das gelegentliche Klirren, wenn eine Waffenscheide gegen ein Bein oder die Rüstung schlug, waren die einzigen Geräusche, und sie erklangen in der Stille übernatürlich laut.
»Ich hätte bei Sonnenaufgang nicht gedacht, dass ich noch im gleichen Moment in der Stadt sein würde«, murmelte einer der Soldaten, der sich wie alle Übrigen beständig umschaute. Aus Ungläubigkeit und Vorsicht. Niemand traute dem Frieden.
Auch Aiphatòn rechnete anfangs damit, dass die Verteidiger aus den titanischen Basalthäusern stürmten oder man Steine von den Dächern nach ihnen würfe, um sie zu töten.
Doch als sie am Rand von Dâkiòns Unterstadt angekommen waren und unbehelligt auf der breiten Straße dahineilten, wusste er, dass Shôtoràs sein Dsôn aufgegeben hatte.
»Ob er sich eine eigene Flotte im Sumpf errichtete und in diesem Augenblick nach Elhàtor segelt?«, meinte einer der Soldaten.
Aiphatòn fand den Gedanken spannend. »Damit hätte jedenfalls niemand gerechnet. Auch ich nicht.« Er schwenkte herum und erklomm mit seiner Truppe einen der hohen Wachtürme. »Lasst uns von da oben schauen, ob wir mehr entdecken.« Das Kribbeln in jeder Faser seines Körpers war zurückgekehrt, was nicht auf die Anspannung zurückzuführen war. Das magische Feld der Stadt reagierte mit seiner angeborenen Magie und der Legierung.
Windung um Windung stiegen sie hinauf, bis sie auf der Aussichtsplattform ankamen.
Der Wind war hier oben stürmisch, der Himmel hatte sich verdunkelt und brachte die Gestirne zur Geltung.
»Seht euch um.«
Von geschätzten siebzig Schritten über den
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