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Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)

Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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saß in eine Decke gehüllt vor der Scheibe im vierten Geschoss des Rathausturmes, in dem er die letzten Umläufe verbracht hatte und an neuen Gedichten arbeitete.
    Der Anblick der Umgebung, der Wälder, die mehr und mehr unter dem fallenden Schnee verschwanden, löste Glücksempfinden in ihm aus. Die feucht-schimmligen Wände des Verlieses hätte ich nicht mehr lange ertragen. Alles erinnerte ihn zu sehr an seine Haft bei den Aklán. Und doch galt er nun noch weniger als bei den Drillingen.
    Friedlich breitete sich Aichenburg unter ihm aus. Die Menschen stapften durch das Flockengestöber, auf Schlitten brachte man große Menge geschlagenes Feuerholz und Kohle aus den Wäldern, um die Fachwerkbehausungen damit zu heizen.
    Der Winter ist da. Carmondai öffnete das Fenster und ließ die Geräusche in seine Stube. Und er ist wunderschön.
    Der kühle Westwind wirbelte die weiße Pracht zu ihm herein, das übermütige Rufen von Kindern, die sich eine Schneeballschlacht lieferten, drang zu ihm. Es roch nach Kaminfeuern und Gebäck, gelegentlich auch nach Harz, wenn Nadeln in Flammen aufgingen und ihr Aroma durch den Schlot in die Luft abgaben.
    Carmondai sog die kalte Luft in die Lunge und brach sich einen der Eiszapfen ab, die aufgereiht an den Rahmen hingen.
    Er rieb damit über seine geschundenen Wangen und die Stirn.
    Das gefrorene Wasser kühlte die empfindliche Haut, die sich noch immer nicht von der Behandlung erholt hatte. Das Sprechen schmerzte, und sobald er aus Versehen die Stirn runzelte, musste er einen Schrei unterdrücken. Der zuvor noch exzellente Heiler vermochte nichts gegen die Pein zu geben – oder wollte es nicht.
    Nachdem die Königin abgereist war, wurden die Verachtung und die Mordgelüste der Menschen in Aichenburg deutlich sichtbar. Die Brandmale und die Warnung auf seiner Stirn verhinderten jegliche Übergriffe in Form von Schlägen oder Klingenstichen, aber er wurde angespuckt, beleidigt, mit Exkrementen und Unrat übergossen.
    Seitdem zog Carmondai es vor, den Erniedrigungen zu entgehen, indem er den Rathausturm zu seinem Lager erklärte. Eine Flucht wagte er nicht, solange er keinen sicheren Plan hatte, das Geborgene Land zu verlassen. Zu viele Feinde lauerten, von den Elben bis zum Zhadár, die sein Leben wollten. Möglicherweise nun auch die letzten Albae, um sich an ihm zu rächen, weil er das Attentat verhinderte. Zudem trachteten einige danach, seiner lebend habhaft zu werden: Zwerge, Menschenkönige, Gelehrte. Da ist der Platz in Mallenias Schatten der sicherere.
    Er fühlte sich müde.
    Sehr alt und sehr müde.
    Ich unterschätzte Mallenia. Er brach einen weiteren Zapfen ab, um die Haut weiter zu kühlen, da der erste getaut war. Der Tod wäre eine Erlösung im Vergleich hierzu gewesen. Das ist ihre Form der Rache: sie als Gnade auszuweisen. Er sah sich um und sammelte die Eindrücke, um sie sogleich zu Papier zu bringen.
    Dabei fiel sein Blick auf die Fensterscheibe, wo sich sein verunstaltetes Antlitz spiegelte.
    Carmondai musste schlucken. Er hatte sich noch lange nicht an sein neues äußeres Ich gewöhnt.
    Auf beiden Seiten seines Gesichtes, je von den Wangenknochen bis zum Unterkiefer, zog sich das Wappen Idos, das ihn auf ewig als Besitz der Herrscherfamilie auswies.
    In die Stirn war mit glühendem Draht geritzt worden: Wer diesem Alb Schaden zufügt, dem wird Gleiches zustoßen. Die halblangen, braunen Haare waren verschwunden und grauen Stoppeln gewichen.
    Nun sehe ich wahrlich alt aus. Oder ist es die Gram, die mir meine Teile der Unendlichkeit über Nacht ins Gesicht meißelte? Carmondai berührte seine versteinerten Züge mit den leuchtend roten Wunden. Was ist aus mir geworden?
    Ein Sklave, um zu überleben, so lautete die Antwort, die ihm das Spiegelbild gab. Das Schoßhündchen einer Königin, die ihn am Leben ließ, um ihn tiefer zu erniedrigen, als es jedwede andere Strafe jemals vermocht hätte. Das Eisen hatte Mut und Stolz aus ihm herausgebrannt.
    Wütend warf er das Fenster zu, sodass die Scheiben klirrten.
    Ein böses, lautes Lachen erklang.
    »Die Warnung«, sagte eine düstere Stimme in seinem Rücken, »hätte etwas eindeutiger ausfallen können. Am Ende triffst du auf Menschen, die es für wert erachten, dir einen Dolch durch den Arm oder ins Bein zu stechen, auch wenn sie es anschließend selbst erdulden müssten.«
    Carmondai musste sich nicht umwenden, um zu wissen, dass Carâhnios unbemerkt ins Zimmer gekommen war. »Meine Stirn war nicht groß

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