Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
mochte, als Sichtschutz und gelangte einige Meilen unbehelligt vorwärts. Der Untergrund blieb mit Knochenresten, verbogenen Rüstungsteilen und Bannerfetzen gespickt; die mitunter gerade noch leserlichen Zeichen auf den Stoffen und Panzerungen sagten ihm nichts.
Dann passierte er Überbleibsel von Behausungen, die selbst zu ihrer bewohnten Zeit in schlechtem Zustand gewesen sein mussten.
Niemand mit handwerklichem Verstand schien sie erschaffen zu haben, sie wirkten willkürlich zusammengenagelt und aus Steinbrocken aufgetürmt, rasch mit Lehm ummantelt und durch Gebete verleimt.
Sich zersetzende, faulige Bohlen brachen unter seinen Sohlen, das morsche Holz hatte anscheinend als Straßenersatz gedient.
Der Einschnitt in das Gelände führte mitten durch die aufgegebene Siedlung. Brandspuren an etlichen Wänden bewiesen dem Alb, dass die Bewohner nicht freiwillig gegangen waren.
Wer lässt sich in einem solchen Sumpf nieder … oder … entstand er erst durch deren Anwesenheit? Aiphatòn verspürte keinerlei Furcht, aber ein Unwohlsein war zu seinem ständigen Begleiter geworden.
Die Umgebung ähnelte in nichts dem, was er aus dem Geborgenen Land oder der südlichen Ödnis kannte. Alles war durchsetzt von Widerwärtigkeit, die eine Woge des Abscheus nach der nächsten in ihm auslöste.
Sollte es das Werk von Dämonen gewesen sein?
Die Senke wurde flacher und flacher. Bald konnte er über den Rand spähen und erkennen, was sich auf der anderen Seite des einstigen Walls befand.
Die Türme lagen nun schräg hinter Aiphatòn und ähnelten fingerlangen Schloten, die Rauch ausspien. Unmittelbar vor ihm, am Ende der Senke, erhoben sich die Überreste eines weiteren Turms drei Schritt in die Höhe. Er musste schon vor langer Zeit zerstört worden sein.
An den einst weißen Außenwänden blätterte die Farbe ab, Ranken schlangen sich um das Gemäuer und schienen die angebrannten Gerüste, Balken und Verschalungen ins Erdreich ziehen zu wollen, um jede Erinnerung daran zu tilgen.
Die Türme sind nicht massiv errichtet. Aiphatòn erahnte, dass nur manche Teile der Bauwerke aus jenen exakt behauenen Steinen bestanden, die umherlagen. Der Rest waren Trägerkonstruktionen aus Holz, Zwischendecken sowie beschlagenen und bemalten Außenwänden. Gegen eine Belagerung sind sie nicht erschaffen worden.
Ein Schuss mit einem kleinen Katapult würde ein Loch hineinschlagen, nach dreien bräche der Turm zusammen. Daraus schloss er, dass man sie auf- und abbauen konnte, um damit umherzureisen. Die komfortablere, angeberische Lösung zu einem Zelt.
Hätte er jemals Zweifel gehabt, dass er sich in Ishím Voróo befand, hiermit wären sie vergangen. So etwas gab es nicht im Geborgenen Land, bei allen Umbrüchen und Katastrophen der letzten Zyklen: Davon hätte er gewusst.
Und doch kommt es mir bekannt vor. Las ich etwas darüber?
Sein Gefangener ächzte plötzlich und regte sich.
Schnell legte ihn Aiphatòn auf die Erde und hockte sich neben ihn, während die geäderten Pergamentlider in die Höhe schnellten. Schwarze Augen starrten ihn an, und doch sah er die Verwunderung, die sich darin spiegelte.
»Mein Name ist Aiphatòn«, sprach er. »Ich bin ein Alb wie du und befreite dich aus den Händen von Räubern, deren Anführer sich Cushròk nannte. Sie trugen dich in einem Sarkophag mit albischen Runen durch das Graue Gebirge.« Er legte einen Panzerhandschuh gegen die Klammer, die ebenso magisch abstrahlte wie die Halbmaske. »Vermagst du mir einen Hinweis zu geben, wer du bist und wie ich dich von deinen Fesseln befreien kann?« Damit stünde er noch mehr in meiner Schuld und gäbe bereitwilliger Auskunft. Innerlich legte er sich eine Geschichte zurecht, die er auftischen konnte, um das Vertrauen des Gefangenen zu gewinnen.
Der Unbekannte lag still, betrachtete Aiphatòns Züge. Dann wandte er den Kopf hektisch zuerst nach rechts und links, als wolle er sich vergewissern, dass sie alleine und seine Häscher verschwunden waren.
»Verstehst du mich?«
Der mondbleiche Alb nickte langsam und entspannte sich leicht. Erst jetzt schien er den Worten seines Retters ein wenig zu glauben.
Aiphatòn streckte die Hand nach dem kleinen Schieber vor dem Mund aus. »Es wäre am besten, ich befreie dich von der Maske, damit das Sprechen …«
Der Alb schüttelte furchtsam den Kopf und stieß dumpfe Laute aus, stemmte die Fersen in den weichen Boden und versuchte, von Aiphatòn wegzukriechen.
»Schon gut, dann lasse ich es«,
Weitere Kostenlose Bücher