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Die Legenden der Albae - Vernichtender Hass

Die Legenden der Albae - Vernichtender Hass

Titel: Die Legenden der Albae - Vernichtender Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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die Fachwerkhäuser der Stadt waren so gut wie verwaist. Niemand
würde stören, wenn sie mit der Fremden sprach.
    Ossandra
war von dieser Person sehr beeindruckt und fühlte sich in deren Anwesenheit
hässlich, obwohl ihre Eltern und viele Leute sagten, was für ein ansprechendes
Gesicht sie hätte. Sogar der weißblonde Schopf der Fremden war von einem matten
Schimmer umgeben. »Bist du eine Göttin?«, brach es aus Ossandra hervor.
    Die
Frau fuhr sich mit feuchten Fingern durch die langen hellen Haare.
Schmucksteine und feinstes Knochenschnitzwerk wurden darin sichtbar, und leicht
spitz zulaufende Ohren erschienen und verschwanden sogleich wieder unter dem
Vorhang aus Strähnen. Sie trug eine Umhängetasche, in der sie ihre
Habseligkeiten aufbewahrte. »Nein, bin ich nicht, meine Kleine. Mein Name ist
Horgàta, und ich bin …«
    Â»Oh,
seht doch – eine Elbin!«, rief Mollo begeistert. Die Kinder unterbrachen ihr
Spiel und wandten sich der Fremden zu. »Da sitzt eine Elbin bei uns am
Brunnen!«
    Â»Sei
still, du Klops!«, wurde er von Gatiela angefahren. »Sonst verscheuchst du sie
noch!«
    Ossandra
sah, dass kein Staub auf dem Kleid und an der Tasche haftete. »Weit kannst du
heute noch nicht gelaufen sein. Du bist nicht dreckig wie die anderen Besucher,
die nach Mühlenstadt kommen.« Ihre Freunde drängten sich neugierig um sie wie
eine Horde Lämmer.
    Â»Das
hast du gut beobachtet, kleine Barbarin.«
    Die
Kinder lachten auf, zeigten mit den Fingern auf Ossandra.
    Â»Ich
bin keine Barbarin«, gab sie zurück und fand Horgàta nicht mehr ganz so hübsch.
Deren Antlitz hatte einen harten, grausamen Zug um Mund und Augen. »Ich bin
Ossandra, die Tochter des Bürgermeisters. Wenn du meinen Vater sprechen
möchtest, solltest du netter zu mir sein. Er hat nämlich nicht für jeden Zeit.
Ich kann das bestimmen, weißt du?«
    Â»Oh,
ich entschuldige mich«, erwiderte die Elbin und verbeugte sich mehrmals
hintereinander. »Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich eine hohe Dame vor mir
habe.« Sie zwinkerte in die Runde. »Wie viele Kinder leben denn in
Mühlenstadt?«
    Â»Eine
Menge«, krähte Mollo. »Warum?«
    Â»Hast
du Geschenke dabei?«, hakte Sarmatt sofort ein. »Für uns reichen sie bestimmt!«
    Ossandra
betrachtete Horgàta genauer und fand, dass die Stiefel, die unter dem Saum des
Kleides hervorschauten, nicht zu einer Wanderin passten. Sie kannte diese Form
von den berittenen Soldaten des Königs, die gelegentlich im Städtchen
auftauchten, um Proviant für die Festung zu erstehen. »Ist dein Pferd unterwegs
gestorben?«
    Â»Wieso
denkst du …?« Horgàta sah auf ihre Stiefelspitzen. »Du bist wirklich ein
schlaues Menschenkind!« Sie lachte klar und freundlich. Ihr Arm streckte sich,
die Finger berührten die Wange des blonden Mädchens. »Ja, mein Pferd ist leider
gestorben. Ob es hier ein neues für mich gäbe?«
    In
ihrer Stimme war eine Kälte, die Ossandra mehr und mehr unangenehm fand. So
hatte sie sich eine Elbin nicht vorgestellt. In den Sagen hieß es, von ihnen
ginge Herrlichkeit und Freundlichkeit aus, dass ihre Nähe das Herz der Menschen
erwärmte. Aber bei aller steigenden Ablehnung blieb die Faszination dennoch
bestehen.
    Â»Mein
Vater hat Pferde zum Verkauf!«, rief Mollo. »Der Bürgermeister aber nicht!«
    Â»Reitet
ihr denn nicht auf Einhörnern?« Gatiela legte den Kopf schief, die braunen
Zöpfe rutschten auf dem Rücken nach hinten. »Ich habe gedacht, ihr wärt deren
Freunde, und sie trügen euch gern.«
    Â»Ich
habe leider kein Einhorn gefunden«, sagte Horgàta gespielt traurig. Sie öffnete
die Tasche und nahm eine schwarzweiß gemusterte Flöte hervor, auf der Drähte
entlangliefen, die zu seitlichen Klappen führten. Das Mundstück war aus Silber.
»Ich verrate dir ein Geheimnis: Damit kann man sie anlocken.«
    Eine
derartige Flöte hatte Ossandra noch nie gesehen. Sie erkannte, dass sie aus
einem Stück Knochen gefertigt war. Beinflöten kannte sie, aber nicht in dieser
Farbe. »Welches Tier hast du dafür genommen?«
    Â»Oh,
vielleicht ist es ja ein Einhornknochen.« Horgàta setzte die Flöte an die
Lippen und spielte eine Melodie.
    Schon
die ersten Töne nahmen das Mädchen gefangen. Sie ließen ihre Gedanken
verstummen. Die Umgebung wurde

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