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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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brauchst nicht gleich sauer zu werden. Hab doch gar nicht behauptet, dass du was dafür kannst.«
    »Ich kann meinen Namen nicht leiden.«
    »Und wie wirst du genannt?«
    »Na, Egbert.«
    »Aber das kannst du nicht leiden.«
    »Und?«
    »Du solltest dir was ausdenken, das du magst.«
    »Man kann seinen Namen nicht ändern.«
    »Klar kann man das. Denk dir einen aus. Zum Beispiel Egg. Oder Bert. Oder Brummbär.«
    Ich ging gerade an ihr vorbei zu meiner Kugel und sie versetzte mir einen spielerischen Stoß gegen die Schulter. Von ihrer Berührung bekam ich Schmetterlinge im Bauch – das war gleichzeitig schön und unangenehm.
    »Gefällt dir einer davon? Natürlich nicht Brummbär. Ist ja klar.«
    »Egg ist in Ordnung.«
    »Gut, dann heißt du ab jetzt Egg. ›Hallo, Egg!‹ Wie gefällt dir das?«
    Meine Kugel lag an einer schwierigen Stelle. Um sie ins nächste Tor zu bekommen, musste ich irgendwie um Millicents Kugel herum. Den genauen Winkel meines Schlags auszuklügeln und gleichzeitig einen neuen Namen zu wählen, fand ich ziemlich anstrengend.
    Ich schloss einen Moment die Augen. Doch weil mir schwindlig davon wurde, öffnete ich sie wieder.
    »›Guten Morgen, Egg!‹, ›Was hältst du davon, Egg?‹, ›Könntest du mir bitte das Salz reichen, Egg?‹ Na? Was meinst du?«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Tausendmal besser als Egbert. Also gut! Dann haben wir das geklärt. Wenn die anderen zurückkommen, erklären wir ihnen, dass du ab jetzt so heißt.«
    »Da werden sie sich nicht drum scheren.«
    Sie dachte einen Augenblick nach. »Nein, vermutlich nicht. Du kommst nicht sonderlich gut klar mit ihnen, oder?«
    »Nein, nicht besonders.«
    »Soll ich dir sagen, warum? Weil sie grässlich sind. Und du nicht. Oder?«
    »Kann sein.« Als sie sagte, dass ich nicht grässlich war, flatterte es erneut in meinem Magen.
    Sie redete etwas leiser und weniger melodiös. »Das mit deiner Mutter ist doch total bescheuert. Die haben echt keine Ahnung. Und überhaupt finde ich, du kannst froh sein, keine Mutter zu haben.«
    »Wie meinst du das?«
    Sie sah über die Schulter zu der großen gelben Villa. »Ich hab eine. Und sie ist ein Biest.«
    »Sie sieht aber nicht wie ein Biest aus.«
    »Natürlich nicht, sie ist ja ziemlich schön. Aber das sind die richtig Fiesen immer.«
    Ich war verwirrt, und wahrscheinlich sah man mir das auch an, denn sie legte sich mächtig ins Zeug. »Weißt du das nicht? Ach komm, Egg. Da hast du all diese Bücher gelesen und weißt nicht, dass schöne Frauen gemein sind?«
    »Nicht immer. Du bist schön, aber nicht gemein.«
    Ich hatte es nicht sagen wollen – es purzelte irgendwie aus meinem Mund, bevor ich es aufhalten konnte. Millicent lief rot an, was ich bis zu diesem Moment nicht für möglich gehalten hätte.
    »Willst du dich bei mir einschleimen?«
    »Nein … ich … Tut mir leid! Ich wollte nicht … Na ja, ich wollte, aber nicht … Ich hätte es nicht sagen sollen.«
    Ich drehte mich schnell weg und verpasste meiner Krocketkugel einen Schlag. Sie knallte gegen Millicents und schoss sie gute sieben Meter von dem Tor weg.
    »Und jetzt hast du meine Kugel aus ihrer Position geschlagen! Unverschämtheit!«
    »Tut mir leid!«
    In Panik, dass ich alles vermasselt hatte, flitzte ich los und hob ihre Kugel auf. Als ich zurückrannte, um sie an ihren ursprünglichen Platz zu legen, fing Millicent zu lachen an.
    »Das verstößt gegen die Regeln! Du bringst alles durcheinander!«
    »Es tut mir leid! Hier –« Ich gab ihr die Kugel. »Leg sie hin, wo du willst. Mir ist es egal.«
    Als sie die Kugel entgegennahm, lächelte sie mich an.
    Es war kein breites Lächeln – man sah keine Zähne, nur die Mundwinkel zogen sich nach oben und um die Augen bildeten sich ein paar Lachfältchen.
    Aber es haute mich völlig um. Im Laufe der Zeit wurde dieses Lächeln zu meinem Lebenszweck – zur Antwort auf jede Frage, zur Lösung jedes Problems, zum Bild, das ich mir in den schlimmsten Momenten ins Gedächtnis rufen konnte, um mich daran zu erinnern, dass es den ganzen Kampf und Schmerz wert war.
    Selbst jetzt kann ich es noch so klar sehen, als würde sie vor mir stehen, mich eindringlich anschauen und mich in Seligkeit versetzen.
    Ich stand da und ertrank in diesem Lächeln, so selbstvergessen, dass ich, selbst als Millicent sich erschrocken wegdrehte, noch ein paar Sekunden brauchte, um die Stimmen wahrzunehmen, die aus dem unteren Garten nach uns riefen.
    Ich lief ihr unbeholfen hinterher,

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