Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)
hoch oben in der Luft, dass ich, als ein Kopf über den Korbrand spähte, einen Moment brauchte, bis ich erkannte, wem er gehörte.
Es war Venus. Sie winkte uns aufgeregt zu. Pembroke und Millicent winkten zurück. Wir beobachteten eine Weile, wie der Ballon über uns schwebte, dann nickte Pembroke einigen Dienern zu, die in der Nähe standen, und ging zum Haus zurück.
»Sie werden eine ganze Weile dort oben sein. Nun, mein Sohn – was können wir tun, damit du einen schönen Geburtstag hast?«
Bei der Frage färbten sich meine Wangen rot. Noch nie zuvor hatte mich jemand so etwas gefragt. Doch mir fiel ziemlich schnell eine Antwort ein.
»Hätte nichts gegen noch ’ne Runde Krocket.«
»In Ordnung«, sagte Millicent fröhlich. »Aber ich werde dich höchstwahrscheinlich vernichtend schlagen, Dummerchen.«
»Ist mir egal.«
»Mr Percy, warum begleiten Sie uns nicht zurück ins Haus?«, fragte Pembroke. »Millicents Lehrer freut sich bestimmt über ein Gespräch unter Kollegen.«
»Wunderbar«, erwiderte Percy, in seinem Blick lag Angst. Wenn Millicents Lehrer nicht ebenfalls ein totaler Blender war, würde eine solche Unterhaltung vermutlich nicht gut für Percy ausgehen.
Während wir alle auf das Haus zugingen, drehte ich mich ein letztes Mal zum Ballon um, der hoch oben am Himmel an seinen Seilen schaukelte.
Komm nicht runter , dachte ich im Stillen.
Millicent und ich gingen zum Krocketfeld zurück. Wir begannen ein neues Spiel und nach kurzer Zeit hatte sie gewonnen.
Noch schlimmer war allerdings, dass unser Gespräch ohne Adonis und Venus, an denen wir uns reiben konnten, steif und verlegen wurde. Mein Hirn verfiel wieder in einen Krampf und ich musste mich anstrengen, mir auf ihren Schwall von Fragen wenigstens eine dumme Antwort auszudenken.
»Dein Vater besitzt also eine Plantage? Ist er dann ein Farmer? Oder ein Plantagenbesitzer? Gibt es da einen Unterschied? Was pflanzt ihr an?«
»Wir … pflanzen … nichts an.«
»Wie soll das denn gehen? Ihr müsst was anpflanzen. Es ist doch eine Plantage! Vielleicht ist es ja nur ein Trick. Macht ihr in Wirklichkeit was anderes? Etwas Geheimes und Hinterhältiges? Seid ihr am Ende etwa doch Piraten?«
»Nein, nein …« Ich wurde völlig nervös, nicht nur wegen meines Hirnkrampfs, sondern auch, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich mich hinstellen sollte, wenn ich nicht dran war – ob ich den Schläger über die Schulter legen oder mich darauf stützen sollte oder ob ich die Arme so verschränken sollte, dass der Schlägerkopf über einen angewinkelten Arm herausragte.
Ich probierte alle drei Varianten. Keine fühlte sich richtig an. Bei der Suche nach einer vierten Möglichkeit ließ ich den Schläger auf meinen Fuß fallen. Millicent beobachtete mich mit einer Art amüsiertem Misstrauen.
»Ich glaube doch. Schau dich mal an – du verheimlichst irgendwas. Ich werde dafür sorgen, dass Daddy das zusammen mit dem Garnisonskommandeur weiterverfolgt. Sie werden euch auf die Spur kommen – und wenn sie dich dafür folgern müssen. Wir werden euch ausräuchern, ihr miesen Verbrecher.«
»Nein, hör mir doch mal zu … Die Pflanzen sind schon da. Wir pflücken bloß die Früchte.«
»Ah, da kommen wir der Sache also schon näher. Welche Art Früchte?«
Ich seufzte. »Stinkfrüchte.«
»Igitt. Was ist das denn?«
»Bloß eine Frucht.«
»Komischer Name. Wer will denn was essen, das Stinkfrucht heißt? Wie riecht sie? Sag schon. Stinkt sie wirklich?«
»Für manche bestimmt. Sie riecht … intensiv.«
»Wie schmeckt sie?«
»Ich weiß nicht. Ein bisschen nach Walnuss und Vanille … aber auch zwiebelig.«
»Das ist lustig. Pflückt ihr sie selbst? Du und deine Geschwister?«
»Nein, na ja, sie nicht. Ich manchmal schon. Beim Pflücken gehen uns zum größten Teil Feldarbeiter zur Hand. Es ist nur so … nicht alle von ihnen haben Hände.«
Sie sah mich neugierig an, dabei stützte sie sich leicht auf ihren Schläger. Ich nahm mir vor, mich beim nächsten Mal genauso hinzustellen.
»Eure Handlanger haben keine Hände?«
»Ein paar von ihnen. Es ist kompliziert.«
»Du bist nicht wie sie, oder?«
»Wie die Handlanger?«
»Nein. Wie deine Geschwister. Du siehst ihnen nicht mal ähnlich. Deine Haare sind heller. Und lockig. Und du hast nicht diese dicke Pferdenase wie die anderen. Und dein Name! Wie ist das denn passiert?«
»Keine Ahnung. Es ist nicht meine Schuld.« Ich hatte plötzlich große Lust, sie zu schubsen.
»Du
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