Die Legenden des Raben 02 - Elfenjagd
besetzt. Wir werden kämpfen, um zu beschützen, was uns gehört.«
»Ich will Euch nicht zu nahe treten, Kommandant«, sagte Rusau, »aber wenn wir die Dordovaner treffen, dann solltet Ihr Euch besser zurückhalten und mich sprechen lassen, ob sie sich nun auf dem Land von Xetesk befinden oder nicht. Worte sind eine Sache, der Verlust vieler Menschenleben ist eine ganz andere. Wenn sie Euch sehen und mich anhören, werden sie es sich vielleicht überlegen.«
»Ihr seid naiv, so etwas zu glauben«, sagte Chandyr. »Dennoch bete ich darum, dass Ihr Recht behaltet. Vergesst aber nicht, dass Soldaten Befehle ausführen und kämpfen, wie es ihren Anweisungen entspricht. Ihnen ist bekannt, dass nicht jeder, der das Schlachtfeld betritt, es lebendig wieder verlässt. In den dordovanischen Streitkräften werdet Ihr meiner Ansicht nach niemanden finden, der berechtigt ist, die Entscheidung zum Rückzug zu treffen.«
»Das mag sein, aber wärt Ihr denn bereit, auf den Kampf zu verzichten, wenn es mir gelingt, einen Waffenstillstand auszuhandeln, damit die Herrscher miteinander sprechen können?«
»Ich werde die Lage einschätzen, wenn wir den Dordovanern begegnen«, sagte Chandyr. »Doch wir befinden uns im Krieg, Rusau, und ich werde keine Entscheidung treffen, die unser Land in Gefahr bringt.«
»Mir muss allerdings erlaubt werden, die Linien zu überschreiten«, sagte Rusau.
»Genug«, fauchte Chandyr. »Ich muss mein Land verteidigen, und ich werde in Abstimmung mit dem Seniormagier meine Entscheidungen treffen, wie ich es für richtig halte. Wenn Ihr mir dabei ins Gehege kommt, riskiert Ihr Kopf und Kragen. Ich hoffe, Ihr versteht das. Jetzt lasst
mich nachdenken. Bitte zieht Euch ins Zentrum der Marschkolonne zurück.«
Er sah Rusau scharf an, und dem lysternischen Magier war die Verunsicherung deutlich anzumerken.
»Sofort, Rusau. Ich möchte Euch nicht mit Gewalt entfernen lassen.«
Rusau gehorchte und hielt sich bis auf weiteres vom xeteskianischen Kommandanten fern. Am Spätnachmittag des zweiten Tages, als eine leichte Bewölkung den bislang schönen Frühlingstag trübte, wurde er jedoch wieder nach vorn gerufen.
Chandyr war in eine Unterhaltung mit dem Seniormagier Synour vertieft, der im Zentrum der xeteskianischen Macht rasch aufgestiegen war. Sie näherten sich der Kuppe eines niedrigen Hügels, hinter dem ein flaches Tal lag. Dort floss der Dord, der in seinem weiteren Verlauf das Land von Dordover berührte, bis er nördlich des Triverne-Sees in den Triverne mündete. Der Dord bildete zugleich die Nordgrenze der Gebiete von Xetesk und Lystern.
»Kommandant«, meldete er sich, als er zu Chandyr aufgeschlossen hatte.
Chandyr nahm seine Ankunft mit einem Nicken zur Kenntnis, beendete aber zunächst seine Unterhaltung, bevor er sich wieder Rusau zuwandte.
»Meine Späher berichten, dass eine Streitmacht von etwa achtzehnhundert Dordovanern gleich nördlich des Flusses ein Lager aufschlägt«, erklärte er. »Dort haben sich schätzungsweise fünfhundert Flüchtlinge gesammelt. Sie sind von den Dordovanern eingekesselt, befinden sich aber derzeit südlich des Flusses, also auf dem Land von Xetesk. Ihr werdet bald bemerken, dass Dordover darauf achtet, niemanden auf das Land von Lystern zu lassen. Ich denke, die Botschaft ist klar.«
»Was habt Ihr nun vor?«
»Die Flüchtlinge müssen sofort freigelassen werden, damit sie ihre Häuser wieder aufbauen können. Die Dordovaner dürfen sie nicht daran hindern. Ich schicke dem dordovanischen Kommandanten, wer es auch sei, eine entsprechende Nachricht. Ihr könnt gern unter der Parlamentärsflagge hinüberreiten, dürft Euch aber nicht in die Übermittlung der Botschaft einschalten. Dieser Punkt ist nicht verhandlungsfähig. Die Flüchtlinge dürfen nicht als Geiseln gegen uns eingesetzt werden.«
»Ich will sehen, was ich tun kann«, sagte Rusau.
»Bringt nicht Euer Leben in Gefahr«, warnte Chandyr ihn. »Ich bin so wenig für Euch verantwortlich, wie es die Dordovaner sind. Mein Bote wird umgehend mit der Antwort zurückkehren. Falls die Antwort negativ ausfällt, werden wir sofort vorstoßen, solange wir noch Tageslicht haben.«
»Kommandant, Ihr müsst mir eine Chance geben«, flehte Rusau.
»Nein, Rusau, das muss ich nicht«, erwiderte der Befehlshaber. »Bei allem Verständnis für Euch, meine Befehle sind eindeutig. Dordover hat eine Invasion gegen uns begonnen. Diese Invasion werde ich abwehren. Reden können wir, sobald sie sich nördlich
Weitere Kostenlose Bücher