Die Legenden des Raben 02 - Elfenjagd
los.
Das marmorne Handgelenk, die Hand und der Daumen bewegten sich, verformten sich und flossen ineinander.
Verbindungen wurden geknüpft, die Bewegung breitete sich nach oben hin aus, der Stein schien unter ihren Fingern zum Leben zu erwachen. Er pulsierte und bebte, alle Bruchstücke rückten von selbst an die richtige Stelle, alle Scharten wurden geglättet und alle Risse versiegelt.
Als die Stimmen der Al-Drechar tiefer und dunkler wurden, verblasste Eriennes Augenlicht. Der Boden schien unter ihr zu schwanken, das Wasser schwappte im Becken, Staub rieselte von oben herab auf ihre Arme und den Kopf. Sie sah die Mana-Ballung über die Hand hinweg, den Arm hinauf und über Yniss’ Körper gleiten. Währenddessen zitterte auch sie am ganzen Körper, jeder einzelne Muskel verkrampfte sich, und ihre Nervenbahnen blieben wach und offen und ließen sie nie gekannte Schmerzen spüren.
Doch hinter den Qualen spürte sie die Reinheit der Kraft und die Ganzheit des Einen. Sie erhaschte einen Blick auf eine Welt, deren Hüter das Eine war. Es war die Harmonie. Es war Yniss auf der Erde. Es war wundervoll.
Draußen wartete nervös der Rabe. Die Al-Arynaar hatten die Tempeltür geschlossen und wollten sie auch nicht öffnen, als Erienne zu klagen begann. Denser konnte nur ohnmächtig hin und her laufen.
Hirad stand beim Unbekannten, als sich die Zeit dahinschleppte, immer noch voller Kummer über den Verlust.
»All diese Toten, und wir haben noch nichts von dem erreicht, was wir tun wollten, als wir Herendeneth verließen.«
»Wärst du lieber an irgendeinem anderen Ort als hier?«
»Nein, wohl nicht.« Hirad scharrte mit den Füßen. »Weißt du, so langsam glaube ich an das Schicksal. Jedenfalls, soweit der Rabe betroffen ist.«
»Wie kommst du darauf?«
Hirad zuckte mit den Achseln. »Sieh dir doch an, was
geschehen ist. Alle wichtigen Ereignisse hingen mit uns zusammen. Es war, als sollten wir dabei sein, als Denser Dawnthief gefunden hat. Wir mussten dabei sein, als der Himmelsriss geöffnet wurde. Dann die Wiedergeburt der Einen Magie. Theoretisch hätte das auch zwei anderen Magiern passieren können, aber so war es nicht. Es ist mit Erienne und Denser geschehen. Und jetzt dies. Wären wir zehn Tage früher gekommen, dann hätten wir nichts vom Elfenfluch gewusst, bis er Ilkar getroffen hätte. Aber wir waren zur Stelle, und wir konnten helfen.«
»Bis zu einem gewissen Punkt«, erwiderte der Unbekannte grimmig. »Aber was wird jetzt? Es sieht nicht nach einem beschaulichen Rentnerdasein aus.«
»Nein«, stimmte Hirad zu. »Abgesehen davon, dass wir vollenden müssen, was Ilkar mit seiner Reise hierher bezweckt hat, gibt es auch noch einen kleinen Krieg zwischen den Kollegien. Bist du bereit, dir das aufzubürden? Wenn da etwas schief geht, bevor wir so weit sind, können wir nicht mehr tun, was wir tun wollen.«
»Nun ja, für die eine oder andere gute Sache könnte ich mich schon aufraffen«, erklärte der Unbekannte.
Die Tür des Tempels wurde geöffnet, und Erienne kam heraus. Auum und Rebraal stützten sie auf beiden Seiten und führten sie zu Denser, küssten sie auf die Wangen und überließen sie ihm. Überall auf dem Vorplatz sprachen Elfen mit nach oben gewandten Gesichtern und verzückten Augen Dankgebete. Die schreckliche Angst vor dem unmittelbar bevorstehenden Tod war vergangen.
»Dann können wir wohl annehmen, dass es erfolgreich verlaufen ist.«
Rebraal nickte. »Yniss ist geheilt und wird uns wieder seinen Segen schenken. Spürt ihr es nicht? Die Harmonie wächst bereits wieder und umfängt uns alle.«
»Wie fühlst du dich, Erienne?« Denser drückte seine Frau an sich und streichelte ihr mit beiden Händen den Rücken. »Wie fühlt es sich an, das ganze Elfenvolk gerettet zu haben?«
»Ich bin müde«, sagte Erienne. »Ich muss mich hinlegen.«
Auum trat zu Hirad und neigte den Kopf. Er hatte einige Worte zu sagen.
»Er dankt euch für alles, was ihr getan habt«, übersetzte Rebraal. »Er erweist euch die Ehre und ist bekümmert über euren Verlust. Bei den TaiGethen und den Al-Arynaar werdet ihr immer willkommen sein.«
»Wir haben getan, was wir tun mussten«, entgegnete Hirad.
»Ich bedaure, dass wir euch misstraut haben«, sagte Rebraal. »Es ist unser Wunsch, mit euch nach Balaia zurückzureisen, um den Kampf fortzusetzen.«
»Das hatte ich gehofft.«
Rebraal lächelte.
»Ich würde alles geben, um Ilkar hier zu haben«, sagte Hirad.
»Hilft es dir, wenn ich
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