Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
Bürger zwar in der Stadt, um Markstände, Bäckereien und Schmieden weiter zu betreiben, doch sie waren nicht bereit, sich offen auf die Seite des Kollegs zu stellen.
Julatsa, so hatten sie erklärt, ist meine Heimat. Meine Stadt und mein Geschäft will ich beschützen. Wenn ich dabei nebenbei auch dem Kolleg helfe, so sei es. Es war nicht gerade das überwältigende Vertrauensvotum, auf das Pheone gehofft hatte.
Einige Freunde waren gekommen und wollten das Kolleg unterstützen, doch es waren so wenige, dass Pheone schon mit dem Gedanken gespielt hatte, sie zu deren eigener Sicherheit wieder nach Hause zu schicken. Dann hatte sie es sich überlegt, sie willkommen geheißen und ihnen eine Arbeit zugeteilt.
Obwohl ständig ein erneutes Versagen des Mana drohte, überwachte Pheone mit Schattenschwingen den geordneten Abzug der Julatsaner durch das nördliche Stadttor. Die Anstrengung, die nötig war, um den einfachen Spruch zu wirken und zu erhalten, zeigte ihr überdeutlich, wie sehr das julatsanische Mana schon in Mitleidenschaft gezogen worden war, doch sie war entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen und es weiter zu benutzen. Falls Geren recht hatte, half der Einsatz der Magie sogar, das Herz zu erhalten.
Eine energische Bewegung unter ihr erregte ihre Aufmerksamkeit. Jemand winkte zu ihr hinauf. Sie flog niedriger und lächelte traurig. Wieder eine Freundin, die Julatsa verließ. Die Frau winkte Pheone herab, und sie gehorchte und landete knapp hinter dem letzten Haus am leeren Wachturm an der Straße nach Norden.
»Hallo, Maran«, sagte sie. »Schade, dass du gehen musst.«
»Mir tut es auch leid«, entgegnete Maran. Ihre Tochter Maranie ging Hand in Hand mit ihr. Die Fünfjährige spürte
nur die Aufregung, aber nicht die Unsicherheit. »Ich will ihr ersparen, was jetzt geschehen kann.«
»Das verstehe ich«, sagte Pheone. »Du bist ein Grund dafür, dass ich mit dem Stadtrat verhandelt habe. Du sollst sicher sein. Das wollen alle im Kolleg.«
»Der Bürgermeister hat nicht sehr freundlich über euch geredet, dabei fiel auch dein Name«, sagte Maran.
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Die meisten wollten nicht glauben, was er gesagt hat.«
»Was hat er denn gesagt?«
Maran zögerte einen Moment, ehe sie antwortete. »Dass ihr den Krieg wollt und von uns erwartet, dass wir euch verteidigen. Dass ihr euch für etwas Besseres haltet und glaubt, ihr wärt die Herrscher der Stadt. Er hat nachdrücklich betont, wer wirklich das Sagen hat.«
»Das habe ich auch nie bestritten«, erwiderte Pheone. »Wir wollten allerdings mit ihm zusammenarbeiten, damit die Stadt wieder aufblüht.«
»Er sagte, ihr wärt ein Krebsgeschwür geworden, das herausgeschnitten werden müsse.«
Pheone blieb wie angewurzelt stehen. »Es ist auch unsere Stadt«, sagte sie. »Warum wendet ihr euch gegen uns?«
»Das tun wir nicht. Ich jedenfalls nicht. Ich muss aber an Maranie denken. Ich darf kein Risiko eingehen.«
Pheone hatte genug. Der Bürgermeister hatte sich gegen sie gestellt, so viel war klar. Er war nicht passiv, sondern aktiv und feindselig. Sie fragte sich, was er den Xeteskianern sagen würde, falls er eine Gelegenheit bekam, mit ihnen zu sprechen.
»Ich muss zurück«, sagte sie. »Viel Glück.«
Die Frauen küssten einander auf die Wangen. »Wir sehen uns, wenn wir zurückkommen.«
Auf einmal hatte Pheone das Gefühl, jemand hätte ihr
einen Eimer kaltes Wasser über den Körper gekippt. Sie taumelte und schnappte nach Luft, die Schattenschwingen verschwanden und hinterließen einen Schmerz auf dem Rücken.
»Wir sterben, und du läufst weg«, sagte sie. Der Schock über den erneuten Mana-Ausfall entlud sich als zorniger Vorwurf.
»Ich will doch nur …«
»Ich frage mich, in welche Stadt du überhaupt zurückkommen willst, Maran. Vielleicht solltest du für immer fortgehen.«
Sie drehte sich um und lief in die Stadt zurück. Die Leere dort, wo die Verbindung zum Mana sein sollte, war wie ein Riss in der Seele.
Die Verzweiflung des Vortages war einem außerordentlichen Optimismus gewichen, der freilich keinerlei Grundlage hatte. Die verbündeten Streitkräfte waren größtenteils vernichtet, und die Überlebenden fanden erst jetzt wieder zusammen. Nur wenige Stunden hinter ihnen kam eine schätzungsweise sechsmal größere feindliche Streitmacht. Dennoch schöpften sie neue Hoffnung.
Der einzige Anlass, den Blackthorne dafür erkennen konnte, war die Tatsache, dass die Männer das Gefühl
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