Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
dann hätte er die Worte ausgesprochen. Er empfand eine überwältigende Freude.
Er griff nach ihnen, suchte sie und schob die Angst beiseite.
Sie. Der Rabe. Und sie umgab ein Bewusstsein, eine Seele, die für ihn heller leuchtete als alle anderen.
Hirads Gedanken rasten, er konnte nicht schlafen. Dieses Gefühl war im Laufe des Abends mehrmals hochgekommen, und er hatte sich während der Gespräche einige Male auf die Lippen gebissen, um keinen Streit auszulösen. Ihm war klar, dass die anderen es nicht fühlen und verstehen konnten. Deshalb hatte er sich abseits schlafen gelegt und angeboten, die letzte Wache vor der Dämmerung zu übernehmen.
Er versuchte, sich darüber Klarheit zu verschaffen. Es war anders als die Berührung Sha-Kaans. Die fühlte sich warm an, ein sanftes Tasten, mit dem der Drache um Erlaubnis bat, in sein Bewusstsein einzudringen. Was er jetzt erlebte, ähnelte eher einem Angriff. Als hämmerte jemand an eine Tür und verlangte Zutritt. Es war gedämpft, doch der Druck nahm zu, bis sich dumpf pochende Kopfschmerzen einstellten. Denser hatte angeboten, mit einem Spruch die Schmerzen zu lindern, aber das wollte er nicht, weil er zu wissen glaubte, was die Ursache war. Denn als er sich hingelegt hatte und den Druck in seinem Kopf erforschte, konnte er Gefühle aus dem Durcheinander herausfiltern. Er spürte Liebe, Kraft und die Sehnsucht nach einem Kontakt, der verloren gegangen war. Auch eine Furcht fing er auf, die ihn an die Nacht in Taanepol erinnerte.
Im Gegensatz zu jenem traumartigen Erlebnis, als er mit halb erinnerten Bildern und Geräuschfetzen erwacht war, sah er sich nun einer massiven emotionalen Kraft ausgesetzt. Sie war näher als im Traum. Hirad schloss die Augen und versuchte, die Kraft zu erforschen, wusste aber nicht, wie er es angehen sollte. Er wusste nur, dass er seiner Sache umso sicherer wurde, je mehr er sich entspannte.
»Ilkar?«, sagte er leise. »Du bist es, nicht wahr? Bei den brennenden Göttern, ich weiß nicht, wie das geschieht, aber es ist so. Ich kann dich fühlen, Ilks, aber ich kann dich nicht verstehen. Ich weiß nicht, wie ich antworten soll, ich bin kein Magier, mein Geist ist nicht geschult. Aber wenn du eine Botschaft senden willst, dann mach weiter.« Er kicherte. »Vielleicht könntest du nur etwas leiser reden, das Hämmern im Kopf ist etwas unangenehm.«
Er hielt inne. Seine Worte hatten keine Wirkung. Er holte tief Luft und versuchte, sich auf den Brennpunkt der Schmerzen im Hinterkopf zu konzentrieren.
»Ilkar, bitte. Wenn du mich hören kannst, dann lass etwas nach. Ich kann dich nicht verstehen, ich empfinde nichts als Schmerzen und Lärm im Kopf. Ilkar?«
Abrupt verschwanden die Gefühle. Hirad richtete sich kerzengerade auf und schloss die Augen, als sich in seinem Kopf alles drehte, bis ihm schwindlig wurde. Tränen standen in seinen Augen.
Aber da gab es noch etwas anderes. Es war genau wie damals in Taanepol, als Rebraal es ihm erklärt hatte.
Es war ein verzweifelter Hilferuf.
»Ich muss das dem Rat vortragen«, wandte Pheone ein.
»Dazu haben wir keine Zeit«, gab Rebraal aufgebracht zurück. Er klatschte die flache Hand auf den Tisch. »Du hast hundertachtzig Magier und fast zweihundert Krieger der Al-Arynaar hier. Du führst im Augenblick die stärkste Streitmacht in ganz Balaia an, verstehst du das nicht? Ohne dich wird Xetesk fallen. Das dürfen wir nicht zulassen.«
»Warum, zum Teufel, kommen sie nicht einfach her, wenn wir so großartig sind?«, rief Pheone, der die Nerven durchgingen. Sie war sowieso schon müde und hungrig, und jetzt setzten die Elfen sie unter solchen Druck. Verdammt, warum war sie auch die Einzige aus dem ganzen Rat, die gerade wach war?
»Weil sie es nicht schaffen würden, und weil wir die Informationen brauchen, die sie haben. Wir müssen uns sofort vorbereiten und binnen eines Tages abreisen. Jeder Augenblick ist entscheidend.«
»Warte mal.« Sie holte Luft und machte eine Geste in Rebraals Richtung. »Welche Informationen?«
Er lächelte. »Ich konnte dir noch nicht alles erklären. Du kannst ziemlich temperamentvoll sein. Ich glaube, das mochte mein Bruder an dir.«
»Unter anderem.« Pheone entspannte sich ein wenig. »Fahre fort.«
»Wir können sie nicht besiegen, wenn wir nur hier gegen sie kämpfen. Unsere Aufgabe in Balaia, oder genauer in Xetesk, ist es, ihnen die Ressourcen zu nehmen und sie zu zwingen, mehr Dämonen hierherzuschaffen, als sie eigentlich wollten. Wir
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