Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
überwog die Todesangst.
»Es wird Zeit«, sagte Tessaya. Er löste die Axt vom Gürtel. »Meine Lords, wir wollen dem Gegner den vernichtenden Schlag versetzen.«
Er hob die Axt hoch über den Kopf, stieß den Kriegsschrei der Paleon-Stämme aus und leitete den Angriff auf die Mauern ein. Die Lords beschworen ihre Stammesgeister und folgten ihm. Ihnen wiederum folgten tausend Krieger und stimmten ein ohrenbetäubendes Gebrüll an.
Tessaya rannte. Seine grauen Zöpfe flatterten über seinen Schultern, er bewegte Arme und Beine rasend schnell und spürte den Luftzug im Gesicht. Er konnte sich nicht erinnern, sich schon einmal so lebendig gefühlt zu haben. Nicht einmal die Begeisterung, mit der er die Wesmen aus dem Schatten des Understone-Passes geführt hatte, war diesem Gefühl gleichgekommen. Damals hatten sie sich so viel vorgenommen und waren gescheitert. Jetzt war der Sieg in Reichweite.
Seine vergessene Jugend strömte in die nicht mehr jungen Adern zurück. Sein Herz pumpte die Lebenskraft durch seinen Körper. Sein Kopf war klar, sein Auge scharf. Die Geister waren bei ihm und in ihm. Nichts konnte ihn aufhalten. Er lachte laut und beschleunigte seine Schritte.
Unter Xetesks Mauern vertiefte sich die Dunkelheit. Siebzig Fuß hoch waren sie und leicht nach außen geneigt. Beeindruckend, drohend und noch nie überwunden. Hier waren auch die Kampfgeräusche lauter. Tessaya hörte das Summen der Bogensehnen, das Krachen der primitiven Leitern, die Rufe der Wesmen über ihm, die sich als schwarze Schatten vor den grellen Fackeln abhoben.
Wie er befohlen hatte, drängten sich die Wesmen nicht um die unteren Enden der Leitern. Alle, die nicht schon
kletterten oder sich darauf vorbereiteten, hatten sich auf dem Feld verteilt und warteten auf den Ruf, ehe sie sich näherten. So gab es keine dicht gedrängt stehenden Gruppen, die den feindlichen Magiern und Bogenschützen ein bequemes Ziel boten.
Tessaya rannte an den wartenden Kriegern vorbei, die seinen Namen riefen. Schneller als ein Buschfeuer breitete sich der Ruf auf dem Schlachtfeld aus. Als er an den wartenden Kriegern vorbei war und die Leiter fast erreicht hatte, wurde ringsum sein Name gesungen.
Er setzte den Fuß auf die unterste Sprosse und trieb alle in der Nähe und über ihm an, sich noch schärfer ins Zeug zu legen. Riasu war direkt hinter ihm und rief etwas in einem Stammesdialekt, den Tessaya kaum verstehen konnte. Das war auch nicht nötig, denn die Botschaft war klar.
Tessaya kletterte schnell, das Holz gab unter seinem Gewicht nach, und die Leiter schwankte und bog sich durch. Die Bindungen waren aber fest und würden halten. Links und rechts eilten andere Wesmen die Leitern hoch. Jetzt, da Tessaya sich eingeschaltet hatte, bekam der Angriff neuen Schwung. Diejenigen, die schon kämpften, waren sich ihres Sieges sicher.
»Drückt euch dicht an die Sprossen«, befahl Tessaya. »Bietet ihnen kein Ziel.«
Eine Schande, dass nicht alle Männer seinen Rat befolgten. Immer noch flogen ihnen Pfeile um die Ohren. Einer traf den ungeschützten Hals eines Kriegers, der es riskierte, nach oben zu schauen, um zu sehen, wie weit er noch klettern musste. Schreiend stürzte er an Tessaya vorbei und schlug tot unten auf.
»Weiter!«, rief er.
Direkt über ihm war ein Mann, den Tessaya schamlos als Schild benutzte. Die Nähe der Wand hinter der Leiter verriet
ihm, wie hoch sie schon geklettert waren. Es war nicht mehr weit.
Wieder zuckte ein Spruch über den Nachthimmel. Links schlug ein Eiswind in Fleisch und Holz, ließ es aufplatzen und zerfetzte Bindungen und Sprossen. Die Leiter fiel auseinander, und die Überlebenden stürzten in den Tod. Tessaya fluchte. Doch über ihm nahm das Gebrüll zu, und er vernahm das wundervolle Klirren von Metall auf Metall, als seine Krieger endlich von Angesicht zu Angesicht gegen die xeteskianischen Verteidiger kämpften. Er lächelte humorlos.
»Bist du noch hinter mir, Riasu?«, rief er.
»Ich bin da, Mylord«, kam die etwas atemlose Antwort. »Ich rieche schon ihre Angst.«
»Dann will ich dich nicht davon abhalten, ihnen auch in die Augen zu sehen«, sagte Tessaya. »Angriff!«
Jetzt schaute Tessaya nach oben. Er war höchstens noch zehn Fuß von der Mauerkrone entfernt. Der Pfeilhagel hatte aufgehört. Seine Männer kletterten schneller, und er hielt Schritt. Sie mussten unbedingt den Wehrgang erreichen, ehe der kleine Brückenkopf wieder aufgerieben wurde. Ein Toter fiel rechts neben ihm herab. Funken
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