Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
flogen, als die Waffen aufeinanderprallten, und die Wesmen sangen lauter denn je und weckten mit ihrem Gesang in allen Kämpfern die Lust, noch härter zu kämpfen. Für die Stämme, für sich selbst und für all jene, die gestorben waren, damit sie so weit kommen konnten.
Die Männer über ihm bewegten sich für seinen Geschmack immer noch zu langsam. Er hielt die Axt rechts neben der Leiter, beugte sich hinüber, so weit er es wagte, und rief den Kriegern über ihm zu, sie sollten ihm Platz machen.
»Nach links, geht nach links. Lasst mich durch. Los doch, los!«
Er spürte Riasu hinter sich. Mit der linken Hand hielt Tessaya sich fest und stieg eilig die Sprossen hinauf. Auf der schräg stehenden Leiter kam er gut voran. Der Brückenkopf hielt noch, seine Männer standen nur wenige Schritte vor ihm auf der Mauer. Er roch den Stein, kalt und uralt.
Die Kampfgeräusche drangen nur noch gedämpft an seine Ohren, die Kämpfe Mann gegen Mann, das erschöpfte Stöhnen, die Schreie der Qual und des Schocks. Das Dröhnen und Klirren der Waffen auf Leder und Kettenhemd. Das Kreischen der aufeinanderprallenden Klingen. Das dumpfe Aufschlagen der Toten auf dem Stein, das verzweifelte Scharren der Füße, die einen Halt suchten und nicht das Gleichgewicht verlieren wollten.
Am oberen Ende der Leiter wurde ihm klar, warum es so langsam gegangen war. Ein Krieger klammerte sich an die oberste Sprosse. Er hatte sich über seine Hände übergeben, seine Waffe steckte noch in der Scheide. Tessaya hielt bei ihm an und schluckte den Widerwillen über die Feigheit des Kämpfers herunter, als er dessen Alter sah.
»Bleib bei mir, Junge«, sagte er. »Im Leben oder im Tod wirst du Ruhm ernten.«
Der Junge sah ihn erschrocken an und nickte zaghaft.
»Braver Junge.«
Tessaya packte ihn am Kragen und schob ihn die letzte Sprosse hinauf. Noch ein Schritt, und sie standen auf den Mauern inmitten des Kampfgetümmels. Selbst Tessaya fand den Lärm und die Nähe der Feinde ungemütlich. Sein Schutzbefohlener knickte in den Knien ein. Urin lief über die Hose des Jungen, und er übergab sich abermals. Dennoch zog er seine Klinge, ein kurzes Stoßschwert.
Im Licht der Fackeln und Kohlenpfannen sah sich der kleine Brückenkopf heftigen Angriffen ausgesetzt. Links
und rechts waren drei weitere Durchbrüche gelungen. Die Xeteskianer kamen von rechts gerannt und sammelten sich auch auf der linken Seite, wurden aber ihrerseits von Wesmen unter Druck gesetzt. Der Wehrgang war höchstens fünf Schritte breit, er hatte auf der Innenseite kein Geländer und war nicht dazu angelegt, auf diese Weise verteidigt zu werden. Tessaya ergriff sofort die Gelegenheit.
»Vorstoßen!«, rief er und sprang von der Mauer zwischen die Toten und in die Rücken der Lebenden, denen er einen festen Stoß versetzte.
Die Wesmen, die Tessaya im Weg waren, verloren das Gleichgewicht und konnten sich nur noch nach vorn werfen, den Feinden entgegen. Diese spürten schnell, dass der vermeintlich rettende Schritt zurück in Wirklichkeit tödlich war.
Drei Xeteskianer hatten keinen Platz mehr zum Ausweichen und traten ins Leere, hielten sich an ihren Gefährten fest und rissen mindestens ein halbes Dutzend hinab in die Stadt. Einer seiner Krieger stürzte mit ihnen, zwei weitere konnten sich retten.
»Bewacht den Brückenkopf«, befahl er. »Kämpft, meine Stämme, kämpft. Haltet rechts die Stellung und stoßt links vor. Wir müssen diese Bastarde isolieren. Und jemand muss die Toten über die Kante werfen.«
Sie gehorchten. Tessaya war bei ihnen, sie würden alles tun, was er verlangte. Er sah sich zum Jungen um, der inzwischen kämpfte und seine Gegner tötete. Die Furcht war dem Wunsch zu überleben gewichen, der ihm jedoch nicht erfüllt werden sollte.
Riasu setzte über die Zinnen hinweg und stieß einen Kampfschrei aus, während er die Axt über dem Kopf kreisen ließ.
»Riasu, gebt die Botschaft nach unten weiter. Dieser Abschnitt
der Mauer muss zwischen den beiden nächsten Wachstuben gesichert werden. Los!«
Ohne zu zögern stürzte Tessaya sich in den Kampf. Seine Axt fuhr zwischen zweien seiner Krieger herab und spaltete einem Feind den Schädel. Blut spritzte im Fackelschein hoch empor. Seit Jahren das erste xeteskianische Blut, das er vergießen durfte. Er zog die Axt zurück und drang in den freien Raum vor, den seine Krieger ihm ließen.
Bevor er das nächste Opfer anging, blickte er zur Stadt Xetesk hinunter. Die Türme des Kollegs standen starr
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