Die Legenden des Raben 06 - Heldensturz
flatterten, Äxte und Schwerter schimmerten im Sonnenlicht, die Lieder hallten zwischen den düsteren Gebäuden.
»Wesmen. Bei den fallenden Göttern«, sagte Hirad. »Das ist ein Anblick, den ich mir nie hätte träumen lassen.«
»Wollen wir hoffen, dass sie uns unterstützen«, sagte Thraun.
»Oh, das tun sie gewiss«, schaltete sich Suarav ein. Der Hauptmann des Kollegs hatte still und wirkungsvoll neben Thraun gekämpft. Er hatte eine Reihe von blutenden Schnittwunden davongetragen, war aber ungebrochen. »Wir können jetzt ins Kolleg gelangen.«
Die Erinnerungen kamen, und Hirads Erleichterung wich der Angst. Er fuhr auf der Hacke herum und rannte zu Rebraal, der dicht vor der Bühne lag. Erienne und Denser knieten schon bei ihm. Denser wirkte gerade einen Spruch. Hirad konnte Eriennes Hände zittern sehen. Er betete, dass es vor Erschöpfung und nicht vor Kummer sei, gesellte sich zu ihnen und hockte sich vor Rebraals Füße.
»Bei den guten Göttern, nein«, sagte er. »Nicht auch du.«
Unter Rebraals Kopf hatte sich eine Blutlache gebildet, das Gesicht war leichenblass. Sein Streitkolben lag neben ihm, der linke Arm steckte verdreht unter dem Körper, seine Lederrüstung war zerrissen, die Schnallen gebrochen. Wenigstens atmete er noch.
Denser war mit seinem Spruch fertig. »Dieser Elf hat großes Glück gehabt. Er hat eine Schnittwunde am Kopf und vom Schlag zweifellos eine Gehirnerschütterung davongetragen. Sein Streitkolben hat allerdings den Hieb abgefangen und auf seine Lederrüstung abgelenkt. So hat ihn der Schlag nur gestreift. Andernfalls wäre ihm sicherlich der Bauch aufgeplatzt. Wenn er aufwacht, wird er allerdings starke Schmerzen haben.«
»Verdammt, Rebraal, habe ich es dir nicht gleich gesagt?« , flüsterte Hirad. »Warum musstest du auch unbedingt kämpfen?«
»Weil er im Grunde seines Herzens ein Rabenkrieger ist«, antwortete Erienne. »Weil er wusste, dass du an seiner Stelle nicht anders gehandelt hättest. Er hat getan, was jeder von uns getan hätte. Er hat mir das Leben gerettet, Hirad. Denkt nur daran, wie nahe wir waren, alles zu verlieren.«
Hirad strich über Rebraals Haare. »Gut gemacht, Ilkars kleiner Bruder. Gut gemacht.« Er blickte zum Himmel hinauf. »Diesen Kampf haben wir gewonnen, General«, sagte er.
Überall waren jetzt die Gesänge der Wesmen zu hören. Aus dem Augenwinkel bemerkte er Krieger, die ins Schauspielhaus strömten, und durch die Löcher sah er weitere Wesmen, die das Gebäude umstellt hatten. Befehle wurden gerufen, die Dämonen schrien, inzwischen aber weiter entfernt.
Dann spürte er, dass jemand neben ihm wartete, respektvoll und ein kleines Stück entfernt. Er hob den Kopf. Vor ihm stand ein Mann in mittleren Jahren, dessen Felle und Lederrüstung einen offensichtlich starken Körper bedeckten. Das Gesicht war voller Narben und frischer Schnittwunden. Das ergraute Haar war zu langen Zöpfen geflochten, seine Augen blickten grimmig. Er strahlte Macht und Autorität aus. Dennoch wartete er höflich, bis sie ihn bemerkten. Von der riesigen Axt, die er lässig in einer Hand hielt, tropfte Dämonenblut. Hirad hatte den Mann noch nie gesehen, wusste aber sofort, wen er vor sich hatte.
»Lord Tessaya«, sagte er.
Tessaya neigte den Kopf. »Der Rabe. Endlich begegnen
wir uns.« Dann runzelte er die Stirn und sah Hirad scharf an. »Wir alle haben Brüder verloren. Euer Verlust bekümmert Dich, es steht in Eurem Gesicht geschrieben. Welcher von Euch ist gefallen?«
»Ein großer Mann«, sagte Hirad. »General Darrick.«
»Ah.« Tessaya schien ehrlich bekümmert. »Für ihn empfand ich mehr Achtung als für die meisten Männer, auch wenn seine Taten den Wesmen sehr geschadet haben. Ich wünschte, wir hätten uns kennenlernen können. Sein Tod stimmt mich traurig. Die Geister mögen ihn in Ehren halten.«
»Sein Leichnam liegt noch auf der Straße. Wir können ihn nicht dort lassen«, fuhr Hirad fort, indem er sich an den Raben wandte. »Wir brauchen ihn, wir müssen das Ritual abhalten.«
»Nein«, widersprach Tessaya, »das könnt Ihr nicht.«
»Das versteht Ihr nicht«, sagte Hirad mühsam beherrscht. »Er gehörte zum Raben. Wir sind ihm diese letzte Ehre schuldig.«
Tessaya legte sachte eine Hand auf Hirads Schulter. »Nein«, wiederholte er. »Es spielt keine Rolle, wo er fiel, Ihr könnt ihn nicht holen. Die Dämonen sind jetzt fort, formieren sich aber schon wieder neu. Sie werden zurückkehren, und wir müssen im Kolleg sein, bevor
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