Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
Vom Netzwerk:
bessere Sicht zu haben.
    »Was hast du getan? Neun!«, schrie er. » Neun aufgebrochene Siegel?« Erst da wurde mir bewusst, dass man die sorgsam versiegelten Krüge umfüllen und neu würde versiegeln müssen und dass diejenigen, die nicht wieder versiegelt werden konnten, aufgebraucht werden mussten oder verderben würden. Kein Sklave – ganz gleich wie hungrig er gewesen wäre – hätte sich an den Vorräten vergriffen, die in dem Raum lagerten.
    »Ich hatte Hunger«, erklärte ich und fürchtete, dass meine Tarnung aufzufliegen drohte. Er hatte kein Verständnis. »Es tut mir leid«, fügte ich demütig hinzu, aber er gab mir mit finsterer Miene einen Wink, zu dem Aufseher hinüberzugehen, und begann seinerseits, um seine geplünderten Tonkrüge zu trauern.
    Argwöhnisch trat ich auf den Gang hinaus; die Muskelpakete des Aufsehers machten mir Angst, aber Ochto bedeutete mir nur, vor ihm her zur Treppe nach oben zu gehen. Mir lief ein Schauer zwischen den Schulterblättern hinunter, aber ich ging vor ihm her den dunklen Gang entlang und die Treppe in die Küche hinauf. Auf dem Hof der Küche klopfte er mir auf die Schulter und wies auf einen Pfad neben den Ställen. Der Weg führte bergab zu weiteren Nebengebäuden und einer langen, niedrigen Baracke für die Feldarbeiter.
    Von einem schmalen Hof mit einem Brunnen führten zwei Türen in die Baracke. Ochto lenkte mich zu der rechten. Ich zog den Kopf ein, ging durch die niedrige Tür und fand mich in einem großen, von Strohsäcken gesäumten Raum voller Männer in einfachster, grober Kleidung wieder.
    Sie saßen oder lagen alle auf ihren jeweiligen Strohsäcken. Ochto stieß den Mann gleich neben der Tür an. Wortlos fegte dieser eine kleine Sammlung von Habseligkeiten aus einer Nische in der Wand hinter sich und ging zu einem anderen Strohsack in einiger Entfernung, dessen Besitzer ebenfalls seine Sachen an sich nahm und umzog. Das ging die Reihe entlang so weiter, bis der Jüngste im Raum – ein oder zwei Jahre jünger als ich – zu einem leeren Strohsack umzog. Als Ochto mir zunickte, setzte ich mich auf mein neues Bett. Er verdammte mich vor der gesamten Baracke mit einem einzigen Wort: Totschläger .
    Ich kauerte mich zusammen, zog die Knie unters Kinn und schlang mir die Arme um die Beine. Es war still im Raum; die anderen warfen mir Blicke zu. Ich ignorierte sie. Nach all den Jahren in den Palästen von Sounis, in denen mein Onkel, mein eigener Vater und Höfling um Höfling mich mit Abscheu gemustert hatten, bin ich unvergleichlich gut darin, so zu tun, als ob ich die Blicke anderer Menschen nicht bemerke, das kann ich dir versichern!
    Nach einiger Zeit begannen die Feldarbeiter leise miteinander zu sprechen. Keiner sah mir in die Augen und ich ihnen auch nicht, aber ich ließ rasche Blicke durch den Raum schweifen. Er schien die halbe Länge des Gebäudes einzunehmen. Zu meiner Linken befand sich eine Tür, die in die andere Hälfte der Baracken führte; wahrscheinlich lag ein Einzelzimmer für den Aufseher dazwischen. Am anderen Ende des Schlafsaals befand sich eine weitere Tür, die nach draußen führte. Es gab Lücken in den Steinwänden, die das Licht, aber nicht zu viel Hitze einließen.
    Wir schienen zu warten, aber ich hatte keine Ahnung worauf, bis ein kräftiger junger Mann einen großen Kessel hereinschleppte, den er auf dem Boden abstellte. Hinter ihm trugen mehrere kleine Jungen gestapelte Holzschalen herein, die sie unter den Männern verteilten. Als der Aufseher auf mich wies, stand ich auf und nahm mir etwas Suppe. Als meine Schüssel voll war, hatten sich die übrigen Männer bereits hinter mir aufgereiht, um sich ihre Portionen zu holen. Ich ging zu meinem neuen Bett zurück und aß.
    So wurde ich Sklave. Zuvor war ich Gefangener gewesen, der gefangen genommene Prinz von Sounis. Jetzt war ich – zumindest in den Augen des Aufsehers, der auf einem Hocker an der Tür saß und seine eigene Suppe schlürfte – nichts anderes als die übrigen Männer um mich herum. Mit meiner Freiheit war es wie mit meinem fehlenden Zahn: Es war ein Loch dort, wo einst etwas gewesen war, das nun fehlte. Ich machte mir bei der Vorstellung Sorgen, während ich die Zunge hin und her über das bereits zuheilende Loch in meinem Zahnfleisch führte. Ich schmeckte die letzte blutige Stelle und versuchte, mich daran zu erinnern, wie der Zahn sich angefühlt hatte, der dort gewesen war. Ich war ein freier Mann gewesen. Jetzt war ich keiner mehr.
    Nach dem Essen

Weitere Kostenlose Bücher