Die Leibwächterin (German Edition)
gut, dass du anrufst. Ich hatte mich gewundert, weil die Wohnung das ganze Wochenende leer war.»
«Ich war mit unserer Fachschaft in Tallinn. Deswegen habe ich mich nicht gemeldet. Ich wusste ja nicht, dass du eine neue Nummer hast, und dachte, da ruft irgendein Illustriertenverkäufer an. Dafür wollte ich kein teures Auslandsgespräch annehmen.»
«Ja, ich musste die Nummer wechseln, weil mich irgendein Spinner mit Anrufen terrorisiert hat. Hast du etwas von Riikka gehört?»
Jenni lachte. Im Hintergrund hörte man Stimmengewirr und Klirren, offenbar näherte sich die Fähre aus Tallinn der finnischen Küste, und die Passagiere beeilten sich, zollfrei einzukaufen, bevor die Läden schlossen.
«Die hat einen Freund! Sie hat sich einen von der Technischen Hochschule angelacht, dem der Papa eine Wohnung in bester Innenstadtlage finanziert. Riikka hat ihre Zahnbürste und ihre Gesichtscreme schon dort, obwohl die beiden sich erst seit einer Woche kennen. Wahrscheinlich müssen wir uns bald eine neue Mitmieterin suchen.»
«Ich bin jetzt eine Zeitlang in Ostbottnien», sagte ich, denn es war besser, allen dieselbe Lüge aufzutischen. «Gib meine Nummer bitte nur an Riikka weiter, sonst keinem. Ich halte sie vorläufig geheim.»
«Okay. Ich heb dir ein bisschen von der estnischen Schokolade auf, die ist unglaublich billig.»
Da aus dem Nebenhaus weder bei meinem ersten Besuch noch jetzt Stimmen zu hören waren, kam ich zu dem Schluss, dass die Schallisolierung gut genug war, um ein normales Gespräch nicht durch die Wände dringen zu lassen. An sich war es also ungefährlich, mit Hiljas Stimme zu sprechen. Dennoch verwandelte ich mich stimmlich wieder in Reiska, sobald das Telefonat beendet war. Ich hoffte, dass Riikkas neuer Freund ein anständiger Kerl und kein Handlanger von Paskewitsch war. Inzwischen sah ich an jeder Ecke Gefahren lauern.
Meine erste Nacht in Kirkkonummi verlief ohne Zwischenfälle. Ich schrak zweimal aus dem Schlaf, als ein Moped vorbeiknatterte und der Briefkasten klapperte. Da die Schlafzimmertüren geschlossen waren, konnte ich Helenas Atemzüge nicht hören. In der Nachbarwohnung wurde ein paarmal gehustet; dieses Geräusch durchdrang die Wände. Da es regnete, begann Reiska am nächsten Morgen mit der Innenrenovierung.
Reiska und ich hatten einstimmig beschlossen, dass Helena einen Sender am Körper tragen sollte, für den Fall, dass sie aus irgendeinem Grund verschwand. Das Problem war nur, das Gerät an einer Stelle anzubringen, wo es nicht entdeckt oder entfernt werden konnte. Schmuck und Uhr kamen nicht in Frage, weil Helena sie zu häufig wechselte, und um einen Sender im Zahn zu implantieren, hätten wir einen Zahnarzt gebraucht. Schließlich einigten wir uns darauf, den Sender an den Haarwurzeln im Nacken anzubringen. Dort fiel er nur auf, wenn die Haare gewaschen wurden. Helena sagte, sie gehe etwa alle drei Monate zum Friseur, oft schneide sie die Spitzen auch selbst nach, um Zeit zu sparen. Das traf sich gut. Ich befestigte den Sender in Helenas Haaren. Er war aus wasserfestem Plastik und würde an den Metalldetektoren im Parlament keinen Alarm auslösen. Von nun an verriet er mir Helenas Aufenthaltsort mit zehn Metern Genauigkeit.
«Dass ich dir erlaube, mich zu überwachen, ist ein echter Vertrauensbeweis.» Helena versuchte zu lächeln, doch ihre Augen lächelten nicht mit. Beim Test funktionierte das Gerät einwandfrei, und so machte Helena sich auf den Weg zu ihren Sitzungen.
Bis zum Freitag verbrachte Reiska eine arbeitsreiche, aber störungsfreie Zeit in Kirkkonummi. Niemand schlich sich im Garten herum, und auch der Rosmarintopf blieb an seinem Platz. Tagsüber ging Reiska einige Male zum Rauchen in den Garten oder rauchte, während er draußen arbeitete. Schon am Dienstag verwickelte der Rentner aus dem Nachbarhaus ihn in ein Gespräch. Er brannte natürlich darauf, zu erfahren, wer der Unbekannte im Haus der Abgeordneten war. Vielleicht hatte er auf seinem Handy bereits die Nummer der Hotline gespeichert, über die das Klatschblatt Seiska Lesertipps entgegennahm.
«Ich hab meiner Frau ja gleich gesagt, das ist ein Handwerker und kein neuer Freund. So viel jünger als die Abgeordnete Lehmusvuo. Obwohl man ja heutzutage alles Mögliche erlebt. Ich bin der Pentti Hirvonen, und ich wette, du kommst auch aus Savo, so wie du redest.»
«Ja, aus Kaavi. Reijo Räsänen, oder einfach Reiska.»
«Da sind wir ja beinahe Nachbarn! Ich stamme aus Juankoski.»
Am
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