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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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zu können, wen so einer angreifen würde.
    An diesem Abend wollte Reiska die Wartezeit im Pub am Busbahnhof überbrücken und bahnte sich zwischen den draußen stehenden Rauchern seinen Weg zum Eingang. Drinnen saßen nicht viele Leute, bei den meisten schien es sich um Stammgäste zu handeln. Wenn ich das Lokal als Hilja betreten hätte, in Lederhose und roten Stöckelschuhen, hätte man mich angegafft. Von Reiska nahm niemand Notiz. Die wenigen Frauen unter den Gästen waren bereits älter und in männlicher Begleitung.
    Reiska war drei Jahre jünger als ich. Im Allgemeinen schätzte man ihn noch jünger, auf fünfundzwanzig; dann prahlte er, er habe sich gut gehalten. Der geringe Altersunterschied zwischen uns beiden hatte den Vorteil, dass er meine Erlebnisse bei der Armee als seine eigenen ausgeben konnte. Niemand zweifelte daran, dass Reiska ein ganzer Kerl war, wenn er erzählte, wie er und die anderen Rekruten die drei weiblichen Wehrdienstleistenden in ihrer Einheit beim Duschen beobachtet und eine der drei wegen ihres kleinen Busens verspottet hatten. Bei dieser Frau handelte es sich natürlich um Hilja, und Burschen wie Reiska hatte es in der Garnison zur Genüge gegeben. Reiska verschwieg allerdings, dass die kleinbusige Frau die Spanner gehörig zur Schnecke gemacht und später denjenigen, der die schmierigsten Witze riss, drei Kilometer weit auf dem Rücken getragen hatte, weil er sich beim Waldmarsch den Fuß verletzt hatte und keine Tragbahre aufzutreiben war.
    Da sich in der Kneipe niemand für Reiska interessierte, hörte er der Musik zu. Als Ausgehuniform trug er ein T-Shirt, das die Aufschrift «Danke 1939–45» und das finnische Löwenwappen zierten. Ich hatte es auf dem Markt in Helsinki für ihn gekauft. Riikka, die das Hemd zufällig zu Gesicht bekam, hatte angewidert den Kopf geschüttelt: «Purer Militarismus!»
    Reiska trank sein großes Bier sehr langsam; mehr als eins durfte er sich nicht gönnen, weil er noch arbeiten musste. Alkoholfreies Bier zu bestellen wäre sozialer Selbstmord gewesen. Diesen Fehler hatte er einmal gemacht, worauf er von den anderen Gästen als Schwuchtel verhöhnt worden war. Im Fernsehen lief ein Fußballspiel. Reiska favorisierte keine bestimmte Mannschaft, aber er hasste «die verdammten Schweden», sprich: den IF Mariehamn von den Åland-Inseln.
    Am Nebentisch wurde hitzig über irgendeine lokalpolitische Angelegenheit diskutiert. Reiska hatte beschlossen, nie mehr zu wählen, nachdem die Abgeordnetenkarriere des Rechtspopulisten Tony Halme ein unrühmliches Ende genommen hatte. Der Mistkerl hatte alle enttäuscht. Nach einer Weile wurde der Wortwechsel am Nebentisch so laut, dass der Wirt den Blick vom Fernseher abwandte und die Streitenden beobachtete. Reiska würde sich natürlich nicht einmischen, sich allerdings auch nicht an einen anderen Tisch setzen. Weglaufen war nicht sein Stil. Mein wahres Ich dagegen überlegte, in welcher Richtung ich ausweichen sollte, falls demnächst die Biergläser flogen. Einmal hatte ich mich in eine Rangelei zwischen zwei Frauen eingemischt und es geschafft, die aggressivere der beiden mit einem Polizeigriff zu bändigen, doch dabei hatte sie mich derart zerkratzt, dass ich die Schrammen noch tagelang mit Reiskas Deckstift kaschieren musste.
    Reiska war ebenso erleichtert wie ich, als die Uhrzeiger sich der Zwölf näherten und es Zeit wurde, die Kneipe zu verlassen. Der Bahnhof von Kirkkonummi lag nur einige Straßen entfernt. Reiska blieb hinter dem Bahnhofsgebäude stehen, um auf Helena zu warten. Sie würde an dieser Stelle vorbeikommen, und Reiska konnte in aller Ruhe beobachten, ob sie beschattet wurde. Die Strecke zu ihrem Haus war mit Ausnahme des letzten Stücks gut überschaubar. Reiska hatte Helena eingeschärft, so zu tun, als bemerke sie ihn nicht, es sei denn, einer ihrer Nachbarn käme mit demselben Zug. Allerdings hatte Reiska außer den Hirvonens und der sehnsuchtsvollen Alleinerziehenden noch niemanden aus der Nachbarschaft kennengelernt.
    Helena schritt zügig aus. Ihre offenbar schwere Aktentasche zog die linke Schulter nach unten, was früher oder später zu Nackenschmerzen führen musste. Reiska und Helena waren die einzigen Passanten, nur gelegentlich brauste ein Auto vorbei. Für einen motorisierten Schützen wäre Helena ein leichtes Ziel gewesen.
    Die beiden gelangten unbehelligt bis zu der Straße, in der Helena wohnte. Auf den letzten zweihundert Metern hatte Reiska das Tempo gesteigert, um

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