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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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seinen Schützling nicht zu lange aus den Augen zu verlieren. Als er die Straßenecke erreichte, sah er, dass Helena am Briefkasten haltgemacht hatte und sich ratlos umblickte. Kein Wunder, denn unter dem Vordach ihrer Haustür stand ein Mann.
    Reiska zog sich lautlos zurück. Er hatte Tiku Aaltonen sofort erkannt, obwohl Helenas Ex diesmal keine Seeräuberkleidung trug.
    «Liebste Helena, wie schön, dich zu sehen!», tönte er mit unangenehmer, leicht maunzender Stimme.
    «Was willst du hier?» Helena sprach in dem verächtlichen Ton, in den sie verfiel, wenn sie die Idiotie ihrer politischen Gegner aufzeigen wollte.
    «Du antwortest nicht auf meine Nachrichten und rufst nicht zurück! Helena, ich habe wirklich Probleme, den Kredit abzuzahlen. Bitte hilf mir, nur dieses eine Mal! Ich habe einen Vertrag mit einem neuen kleinen Verlag so gut wie sicher. Die haben ein irrsinnig gutes Marketingkonzept und Kontakte zur Presse. Ich schaffe endlich den großen Durchbruch, und dann kann ich dir alles zurückzahlen.»
    Da Aaltonen eher flehend als drohend sprach, beschloss Reiska, etwas zu riskieren. Er hatte die Fernbedienung dabei, mit der sich die Alarmanlage ausschalten ließ, und tippte den Code ein, während er um den Block lief. Dann kletterte er in den Nachbargarten. Im Haus regte sich nichts. Nur eine Katze, die auf dem Gartentisch schlummerte, rannte mit aufgestelltem Schwanz davon, als Reiska auftauchte. Es war ein Kinderspiel für ihn, den Zaun zwischen den beiden Gärten zu überwinden. Um keinen Lärm zu machen, sprang er nicht herunter, sondern ließ sich vorsichtig wie eine Katze hinab. Aus dem Vorgarten war Helenas Fauchen zu hören:
    «Verschwinde! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.»
    «Aber Schatz … Ich habe einen ganzen Gedichtzyklus für dich geschrieben, du fehlst mir so. Das Buch heißt ‹Die unerreichbare Helena›!»
    Als Helena kühl lachte, öffnete Reiska die Hintertür. Durch die Ritzen in den Jalousien fiel genug Licht, sodass er das Wohnzimmer durchqueren konnte, ohne zu stolpern. Die Tür zum Windfang war nur angelehnt. Reiska hatte die Angeln gerade erst geölt, sie quietschten nicht mehr. Ruckartig stieß er die Haustür auf. Sie schlug Tiku Aaltonen so heftig gegen den Rücken, dass er auf allen vieren landete.
    «Was soll der Lärm mitten in der Nacht? Lass Helena sofort ins Haus!»
    Reiska wusste nicht, wer verblüffter aussah, Helena oder Aaltonen. Als Aaltonen unbeholfen aufstand, packte Reiska ihn an den Schultern und drehte ihm die Arme auf den Rücken. Von einem Seeräuber hatte Aaltonen nichts mehr an sich, er war nur noch ein elender Matrose, der gleich über die Planke gehen würde, weil er im letzten Hafen die Geliebte des Kapitäns verführt hatte. In der Küche der Nachbarn ging das Licht an.
    «Geh ins Haus, Helena! Ich kümmere mich um den Kerl», sagte Reiska mit heiserer Stimme. Er stieß den Mann, der sich kaum wehrte, vor sich her in Richtung Ortsmitte. Unterwegs schilderte er Aaltonen in allen Einzelheiten, was ihm zustoßen würde, wenn er Helena noch einmal belästigte. Dabei nahm er Zuflucht zu Mike Virtues schlimmsten Drohungen; sie laut auszusprechen konnte in Finnland mit sechs Monaten Bewährungsstrafe geahndet werden, aber so genau kannte Tiku Aaltonen das Gesetzbuch vermutlich nicht.
    «So, mein Lieber, wenn du ganz schnell rennst, erwischst du gerade noch den letzten Zug. Sonst musst du halt per Anhalter nach Espoo fahren, aber pass auf, bei wem du einsteigst!», sagte Reiska und ließ Aaltonen los.
    «Wer bist du überhaupt?», fragte dieser indigniert, wie um den letzten Rest seiner Ehre zu retten.
    «Ich bin der Mann, der Helena vor Figuren wie dir schützt. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Und jetzt hau ab, falls dir daran liegt, auch weiterhin feste Nahrung zu dir nehmen und Kinder zeugen zu können.»
    Als Aaltonen im Laufschritt zum Bahnhof eilte, lachte Reiska höhnisch und marschierte selbstbewusst zu Helenas Haus zurück. Frau Hirvonen, die Nachbarin, stand neugierig an der Tür. Helena war klugerweise ins Haus gegangen.
    «Alles in Ordnung, gnädige Frau. Gehen Sie ruhig wieder schlafen. Der Mann wird uns nicht mehr belästigen», sagte Reiska höflich und rückte seine Kappe zurecht.
    «Wer war das denn?»
    «Der ehemalige Lebensgefährte der Abgeordneten. Er hat hier nichts mehr zu suchen.»
    Helena hatte sich Rotwein eingeschenkt und bot Reiska ebenfalls ein Glas an, doch er lehnte ab. Er schaltete die Alarmanlage ein und ging auf

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