Die Leibwächterin (German Edition)
Hilfe der Prinzessin braucht, wird sie dann zu ihm kommen?»
«Ja», antwortete ich, ohne zu wissen, was ich da versprach.
«Dann werden sie alles hinter sich lassen, ihre Kronen ablegen und auf eine einsame Insel reisen, zum Beispiel in ein Bergdorf auf Korsika, wo sie nicht mehr Prinz und Prinzessin sein und die Verantwortung tragen müssen, die der Thron mit sich bringt. Und dort sind sie glücklich miteinander bis an ihr Lebensende. So heißt es doch in jedem Märchen.»
Davids Geruch und seine Wärme machten mich wohlig müde. Irgendwann ging ich zur Toilette und putzte mir die Zähne. Es war schon still, nur die Bäume rauschten leise im Wind. Ich überlegte, ob ich es wagen sollte, David meine Telefonnummer zu geben. Ich hatte ihm Fridas Bild gezeigt. Im Vergleich dazu war die Telefonnummer nur eine Bagatelle.
Gegen sieben regten sich die ersten Gäste, ich wurde vor David wach. Sein schlafweiches Gesicht wirkte jungenhaft, ich konnte mir vorstellen, wie er als segelnder und Fußball spielender Schüler in Tammisaari ausgesehen hatte. Jetzt hatte ich die letzte Chance, Ermittlungen anzustellen und in seinen Sachen zu wühlen. Er hatte gesagt, er müsse spätestens um neun Uhr aufbrechen, hatte aber keinen Wecker gestellt. Doch als ich vorsichtig aufstand, öffnete er die Augen und lächelte, als er mich sah.
«Hilja … Ich hatte schon gefürchtet, es wäre nur ein Traum gewesen.»
Es ging nicht anders, ich musste noch ein letztes Mal mit ihm schlafen, ich hatte einfach noch nicht genug von ihm. Aber würde sich daran je etwas ändern? Obwohl wir uns hastig und voller Abschiedsschmerz liebten, waren meine Gefühle immer noch wahr.
Danach gingen wir gemeinsam zum Frühstück. Der Speisesaal war leer. Die Wirtin erklärte, die Seminarteilnehmer hätten beschlossen, draußen auf dem Tanzboden zu tagen, weil es so warm war. Obwohl die Herbst-Tagundnachtgleiche unmittelbar bevorstand, brannte die Sonne wie im Hochsommer. Nach dem Erdbeben, das mein Privatleben erschüttert hatte, wunderte es mich ganz und gar nicht, dass die Jahreszeiten verrückt spielten.
David zahlte und sagte, ich könne sein Zimmer behalten, wenn ich wolle. Doch ich holte mein Gepäck, bevor ich ihn zu seinem Wagen begleitete. Als ich ihn gerade zum Abschied küssen wollte, kam Helena mit zwei anderen Frauen auf den Parkplatz, um einen Stapel Zeitungen aus Ullas Auto zu holen. Sie grüßten mich nicht, aber ihretwegen bekam ich keinen Abschiedskuss. David umarmte mich nur kurz, stieg ein und war weg.
Während Ulla und die zweite Frau die Zeitungskartons zum Tanzboden trugen, blieb Helena bei mir stehen.
«War das der mysteriöse Freund, an dessen Vertrauenswürdigkeit du zweifelst?»
«Ja.»
«War er auch an dieser Sicherheitsakademie in New York?»
«Nein, wir haben uns woanders kennengelernt.»
«Seltsam, dass er mich nicht erkannt hat. Ich habe nämlich letztes Jahr mit ihm gesprochen, wegen eines Artikels, den ich schreiben wollte. Wir haben uns in Sankt Petersburg getroffen, ein Bekannter von der Sicherheitspolizei hat den Kontakt hergestellt. Wie du sicher weißt, ist David Stahl Europol-Ermittler. Er ist auf die Kontakte zwischen der EU und Russland spezialisiert.»
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15
Ich ließ Helena ihren Bericht dreimal wiederholen. Sie hatte David Stahl in Sankt Petersburg getroffen, er war Experte für Energiefragen. Früher hatte er illegale Ölgeschäfte und den Schwarzhandel mit Atomstrom untersucht. Inzwischen hatte er sich auf die geplante Nordstream-Pipeline im Finnischen Meerbusen spezialisiert. Stahls Mission war streng geheim, und Helena hatte langwierige Verhandlungen führen müssen, bevor das Treffen zustande gekommen war. Obwohl sie eine angesehene finnische Abgeordnete war, hatte Stahl ihr nicht ohne weiteres vertraut. Natürlich hatte sie angenommen, dass ich über seinen Beruf informiert war, sonst hätte sie ihn keinesfalls erwähnt.
Zum Glück kam jemand und holte Helena. So hatte ich endlich Zeit zum Nachdenken. Hatte ich vorhin nicht gedacht, mein Leben sei durch ein Erdbeben erschüttert worden? Jetzt spülte die Flutwelle alles weg, was ich mir zusammengereimt hatte, und hinterließ ein Chaos, in das ich Ordnung zu bringen versuchte. David Stahl gehörte nicht zu Paskewitschs Männern, er stand auf derselben Seite wie ich. Ich konnte nicht anders, ich musste an den Strand laufen, mich ausziehen und ins kalte Wasser springen, spüren, wie mein Körper gehorchte und funktionierte. Er
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