Die Leibwächterin (German Edition)
die Hauptstadtregion gekommen war und Arbeit gesucht hatte. Hier gab es wenigstens Landsleute, mit denen sie sich in ihrer Muttersprache unterhalten konnte. In Anitas Hierarchie stand Felicia weit unter mir, sie hatte mit allen Mitteln zu verhindern versucht, dass wir uns anfreundeten. Vermutlich hatte sie befürchtet, wir würden uns gegen sie verbünden. Ich musste unbedingt mit Felicia sprechen. Sie hatte schon vor drei Jahren im Haus gearbeitet, als Anita und Walentin Paskewitsch noch ein Liebespaar waren.
«Weißt du, wer der Anwalt deiner Mutter war? Meines Wissens hatte sie ein Schließfach, aber sie hat mir nie gesagt, bei welcher Bank. Ihre Konten hatte sie auf mehrere Banken verteilt, es gibt also viele Möglichkeiten.» Der Tresorkasten lag schwer in meinem Rucksack, aber ich wollte Cecilia vorläufig nichts davon sagen, sondern die Testamentseröffnung abwarten, die klären würde, wer Anita Nuutinen beerbte.
«Mutter war Klientin bei der Anwaltskanzlei Mikaelsson und Ainasoja. Johan Mikaelsson hat sich dort um ihre Angelegenheiten gekümmert. Ich habe mich schon mit ihm in Verbindung gesetzt, Mutters Testament liegt bei ihm. Er sagt, es enthält auch ein korrektes Güterverzeichnis.» Cecilias Gesichtszüge lockerten sich ein wenig, doch als Lächeln konnte man ihre Miene nicht bezeichnen. «Wir haben vereinbart, dass die Testamentseröffnung am Samstag nach der Beerdigung stattfindet, denn ich muss dringend zurück nach Hongkong.»
Höchstwahrscheinlich wusste Rechtsanwalt Mikaelsson von dem Schließfach, wollte es korrekterweise aber vor der Testamentseröffnung nicht erwähnen. Jetzt wäre die passende Gelegenheit gewesen, zu verraten, was ich im Rucksack hatte, doch ich ließ sie verstreichen. Wir gingen wieder ins Wohnzimmer, wo der Printer immer noch ratterte. Der Papierstapel auf dem Fußboden war bereits fünf Zentimeter hoch. Die Blätter waren mit Zahlenreihen gefüllt, die mir nichts sagten.
«Mutter wollte nicht, dass ich mich in ihre finanziellen Angelegenheiten einmische, obwohl ich in Investmentfragen Profi bin», erklärte Cecilia. «Es ist frustrierend, untätig abwarten zu müssen, was aus ihrem Vermögen wird, wenn die Börse tatsächlich crasht.»
«Hast du Angst, dass dein Erbe sich in Luft auflöst?»
Cecilia war über meinen Tonfall pikiert. «Warum so boshaft? Ich weiß ja nicht einmal, ob ich überhaupt etwas erbe. Es kann gut sein, dass dieses Haus bis zur letzten Türklinke mit Hypotheken belastet ist. Wenn ich es richtig verstehe, hat meine Mutter kein Risiko gescheut. Und was hat sie nun davon? Übrigens soll eine finnische Parlamentsabgeordnete in irgendeiner Zeitung behauptet haben, sie glaube nicht an die Erklärung der Moskauer Miliz, ein Alkoholiker habe meine Mutter erschossen. Ich verfolge die finnische Politik kaum, deshalb erinnere ich mich nicht an den Namen. Eine Konservative, glaube ich …»
«Helena Lehmusvuo. Von den Grünen. Meine jetzige Arbeitgeberin.»
Cecilia hob die Augenbrauen so übertrieben hoch, dass sie beinahe an den Pony stießen.
«Das geht ja schnell bei dir. Hast du von meiner Mutter dein Urlaubsgeld und so weiter bekommen? Oder hast du noch irgendwelche Forderungen an den Nachlass?»
«Nein, ich habe keine Forderungen. Meine Arbeit unterscheidet sich so sehr von der normalen Lohnarbeit, dass ich nie versucht habe, Urlaubsgeld, Überstundenvergütung oder dergleichen zu verlangen. Ich bin freie Unternehmerin, gehöre keiner Gewerkschaft an und zahle meine Rentenbeiträge und sonstigen Versicherungen selbst. So ist es am einfachsten, ich will nicht von anderen abhängig sein.»
«Was denkst du, wer hat meine Mutter umgebracht?», fragte Cecilia.
«Man hat den Alkoholiker doch gefunden», wich ich aus.
«Daran glaubt nicht mal die finnische Polizei! Ich habe mit Hauptmeister … Laiho oder so ähnlich …»
«Laitio?»
«Genau, ich habe mit Laitio gesprochen, und er behauptet, die Miliz sei bestochen worden, aber die finnische Polizei könne nichts unternehmen, weil die oberste Staatsführung die lauwarmen Beziehungen zu Russland nicht gefährden will. Dabei hatte ich geglaubt, da wir jetzt sogar in der EU sind, hätte unser Land endlich aufgehört, vor den Russen im Staub zu kriechen. Ich schäme mich, Finnin zu sein! Natürlich weiß ich, dass Walentin sowohl unter den russischen Politikern als auch unter den Oligarchen, die sie finanzieren, Freunde hat, aber ich finde es trotzdem unerhört, dass im heutigen Russland, das laut
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