Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
war in den letzten vierundzwanzig Stunden so ausgiebig geliebt worden, dass er dankbar reagierte und mich nach dem Schwimmen zügig wieder auf den Vorplatz des Gasthofs brachte, wo ich zur Verwunderung der zum Mittagessen strömenden Grünen ein Rad schlug. Ich duschte in dem Zimmer, das sich Helena mit Ulla teilte, und zog das schwarze Glitzertop an, das ich am Abend getragen hatte; es roch nach David. Nach David, der seine Seele nicht an Paskewitsch verkauft hatte. Da ich voller Energie steckte, nahm ich mir am Mittagsbuffet nur zwei Brötchen und radelte zu meinem Ferienhaus, um Anitas Tresorkasten zu holen. Er passte gerade so in meinen Rucksack. Ins Haus warf ich keinen Blick. Das Seminar endete um zwei Uhr, dann ging es zurück nach Kirkkonummi, in Helenas Wohnung. In meinem Kopf sang Ismo Alanko «ich bin so unverschämt lebendig», und ich hatte das Gefühl, selbst der härteste Sport könnte die Energie, die in mir brodelte, nicht aufzehren.
    Ich versteckte mein Rad an der üblichen Stelle, Ulla und Helena sammelten mich an der Kreuzung auf, und ich klemmte mich auf den Rücksitz. Ullas Wagen war klein und emissionsarm, wurde also den Idealen der Grünen gerecht, aber nicht allen Mitfahrerinnen. Als wir in Kirkkonummi ausstiegen, waren meine Beine fast gefühllos. Nicht einmal das tat meiner guten Laune Abbruch. Ich dehnte die verkrampften Muskeln und räumte dann Helenas Bücher in die Regale. Alphabetisches Ordnen hatte mir immer Spaß gemacht, dabei besaß ich selbst nur rund zwanzig Bücher, weil der Inhalt eines Bücherregals zu viel über seinen Besitzer verriet. Musik konnte man heutzutage immerhin auf einem MP3-Player verstecken.
    Wir gingen früh schlafen. Ich spielte mit dem Gedanken, David eine SMS zu schicken, tat es dann aber doch nicht. Er hatte meine neue Telefonnummer nicht, aber einem Europol-Ermittler dürfte es nicht schwerfallen, sich eine Handynummer zu beschaffen, wenn er es wollte. Außerdem musste ich meine Gefühle ein wenig abkühlen lassen. Mein Körper erinnerte sich zu gut an Davids Berührungen, er wollte mehr davon, unendlich viel. Im Traum paarte ich mich mit einem Luchs, er biss mich in den Nacken, sein Penis war stachlig wie bei den meisten Raubkatzen.
    Am nächsten Morgen saßen wir im Bus, der immer wieder in kleine Nebenstraßen abbog, um dann wieder auf den vielbefahrenen Hauptverkehrsweg nach Helsinki zurückzukehren. Helena las ein Memorandum über die geplante Reform des Abwassergesetzes. Abgeordnete mussten für ihr Gehalt ordentlich schuften. Anita hatte immer verächtlich über Politiker gesprochen, sie hatte gesagt, es sei gut, dass die Volksvertreter nicht mehr verdienten, denn dadurch habe man die Chance, ihre Tätigkeit zu beeinflussen, indem man ihnen zum Beispiel anbot, ihre Wahlkampagne zu finanzieren. Tatsächlich war auch Anitas Name aufs Tapet gekommen, als das Justizministerium die Abgeordneten gezwungen hatte, über ihre Wahlkampfgelder Rechenschaft abzulegen. Anita hatte diverse Kandidaten aus der Provinz Kymi unterstützt, und zwar über die Parteigrenzen hinweg: Kandidaten aller drei großen Parteien hatte sie bedacht. Auch das deutete darauf hin, dass das Ufergrundstück in Kotka sie erheblich interessiert hatte, denn Kotka war die Provinzhauptstadt.
    Ich stieg in Espoo an der Haltestelle Hanasaari aus und ging am Ufer entlang nach Lehtisaari, wo Anita gewohnt hatte. Hier kannte ich jeden Pfad, denn ich war oft um die Bucht herumgejoggt. Die wenigen Sachen von mir, die noch in Anitas Haus lagen – ein paar T-Shirts, Schlafanzug und Unterhosen –, würde ich nicht mehr tragen, sondern nur noch als Putzlumpen verwenden. Bettwäsche und Handtücher waren gestellt worden, und außer Kleidern hatte ich nichts Persönliches in mein Zimmer gebracht, abgesehen von einem Luchsbild, das ich aus einer Illustrierten ausgeschnitten und über mein Bett gehängt hatte. Folglich hätte Anita wissen müssen, dass Luchse mir viel bedeuteten. Aber hatte sie mein Zimmer je betreten? Ich hatte bei der ersten Gelegenheit alle ihre Schränke und Schubladen durchsucht. Da die Mordermittlungen eingestellt worden waren, bevor sie von finnischer Seite überhaupt begonnen hatten, hatte die Polizei keine Hausdurchsuchung vorgenommen und nichts beschlagnahmt.
    Anita hatte in einem Reihenhaus gewohnt. Der Hausmeister, den die Bewohner der Wohnanlage gemeinsam beschäftigten, war gerade dabei, das erste abgefallene Laub zusammenzurechen. Als er mich erkannte, kam er neugierig

Weitere Kostenlose Bücher