Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
auch nur entfernt zusammenhing, mitbringen.
Von diesem vagen Hoffnungsschimmer begleitet, schob er sein Fahrrad nach Hause. Er strahlte wenig Entschlossenheit aus.
„Was hast du denn immer mit diesem Claude Heidenbrück? Ich dachte, Joshua Silbermann wäre derjenige, dessen Rätsel du lösen willst.“
Es war der Abend desselben Tages, und Herr Schweitzer hatte sich mit Maria wie so oft im Weinfaß getroffen. Haarklein hatte er ihr die Ergebnisse seines Besuches im Jüdischen Museum geschildert und dabei, ohne daß es ihm groß aufgefallen war, den Anschein vermittelt, alle Lösungswege führten über diesen Heidenbrück. Gar arg hatte er sich dabei in Rage geredet, allerdings geschürt von der hochnotpeinlichen, personifizierten Ohnmacht namens Belle, die sich, wie letzte Woche bereits, weigerte, ihn, und nicht nur ihn, auch andere Gläser waren leer, leerer geht’s nimmer, als potentielle Kunden des Gaststättengewerbes zu betrachten. Vielleicht kommt die ja aus Kuba, überlegte Herr Schweitzer. Dort wird nämlich nur gearbeitet, wenn der Bus fährt, der aber nur fährt, wenn’s Benzin gibt. Und Benzin gibt’s fast nie. Möglicherweise hat Belle ja nur einen an der Raffel, und ihr ist gar nicht aufgefallen, daß heute der Bus ausnahmsweise mal gefahren ist. Von daher wäre es doch sehr höflich von mir, überlegte sich Herr Schweitzer, wenn ich sie ein klein wenig über dieses Wunder aufmerksam machen würde. „Huhu.“
Die Ohnmacht kehrte aus selbiger zurück und betrachtete ihn. Wahrscheinlich überlegte sie, wo sie diesen dicklichen Mann schon mal gesehen hatte. Ihre Augen verrieten Unverständnis in höchster Vollendung.
Kryptisch hob Herr Schweitzer sein leeres Glas in die Höhe. Marias Frage war in den Hintergrund gedrängt. Es galt, sich einer ernsten Herausforderung zu stellen. Es erwies sich jedoch, daß Herr Schweitzer ein großer Einfaltspinsel war.
Belles Blick hatte es in sich. Und zwar die Jahresration Valium aller europäischen User zusammen.
„Kann die Memsahib Belle dem Toto Simon noch einen Kelch von diesem leckeren Göttertrunk kredenzen?“
Wie der Blitz wandelte sich die Ohnmacht zur Erkenntnis. Binnen einer ganz kurzen Minute. „Natürlich. Noch einen Rotwein, nicht wahr?“
Na geht doch, staunte Herr Schweitzer nicht schlecht, vielleicht spricht sie ja tatsächlich Suaheli. „Oh, daran hatte ich auch schon gedacht. Und Maria will bestimmt auch noch einen.“ Seine fragenden Augen schwenkten herum.
„Ja, gerne.“ Und: „Claude Heidenbrück.“
„Genau, Claude Heidenbrück. Ich weiß auch nicht so genau. Ist mehr so ein Gefühl, weißt du. Laut Melibocus ist gerade bei dem mehr Belastungsmaterial verschwunden als bei allen anderen. Irgendeine Stimme flüstert mir dauernd, daß da noch Unterlagen existieren und der Fall Joshua Silbermann damit zusammenhängt. Du erinnerst dich? Das Foto.“
„Und selbst wenn. Der ist doch mausetot.“
„Im Buddhismus würde es mein Karma verbessern.“
„Aber erst im nächsten Leben.“
„Na und. Man kann nie weit genug vorausschauen.“
„Warum hältst du dich dann nicht an seinen Sohn, diesen Heidenbrück Junior, ein NPD-Arschloch alter Schule, zeitweise ein großer Sponsor der DVU, so munkelt man.“
„Woher weißt du das denn?“
Zwischen ein paar neckisch über die Augen gefallenen Haarsträhnen lächelte Maria zufrieden. „Habe im Internet nachgeforscht.“
„Das habe ich auch. Da war aber nix.“
„Du hättest vielleicht den Junior an den Namen hängen sollen, Doktor Watson.“
Ja, das hätte er. Wenn er daran gedacht hätte. Hatte er aber nicht.
Wie ein Weihnachtsgeschenk servierte Belle zwei Gläser Rotwein.
Ob so viel Güte um ihn herum umgab ein süßliches Frohlocken sein Herz. „Und du hast …“
„Ich habe dir die Seiten ausgedruckt. Natürlich, mein Schatz. Sind bei mir oben.“
„Das heißt …“
„… du mußt heute leider bei mir schlafen. Bange machen gilt nicht.“
Auch am Dienstag widmete sich Herr Schweitzer wieder mit Inbrunst der Vergangenheit. Zu seinem Erstaunen brachte der Anruf beim Einwohnermeldeamt neue Erkenntnisse zutage. Es war ein Start nach Maß, gerade bei Morgenmuffeln wie ihm manchmal bitter notwendig. Ohne weiteres hatte man ihm mitgeteilt, ein Peter Söhnle, während des Krieges wohnhaft in der Gartenstraße, sei 1988 in einem Seniorenheim in Bornheim verstorben. Da Herr Schweitzer auf Nachfrage das Alter besagten Hermann Bauers nur grob zu schätzen wußte, waren genau
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