Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
wie von ihm befürchtet, mehrere im Angebot. Zum einen ein Alteisen-Händler aus Bornheim, ein Luftwaffenoffizier aus demselben Stadtteil, ein Hilfsarbeiter aus Niederrad, die allesamt den Krieg überlebt hatten, und zum anderen ein Möbelspediteur aus dem Nordend und ein Bäckermeister aus Heddernheim, beide tot, der erste verschollen, der zweite in russischer Kriegsgefangenschaft gelandet und 1949 in Workuta verstorben. Er bedankte sich artig und legte auf.
Da Herr Schweitzer von Uniformen nur wußte, daß sie recht uni in der Form waren, er mit Müh und Not die eines Karnevalsprinzen von der eines Funkenmariechens unterscheiden konnte, half natürlich auch kein Blick auf das Foto, doch war der Luftwaffenoffizier aus Bornheim eine ernstzunehmende Spur. Er überlegte, wer aus seinem Bekanntenkreis ihm hierbei einen Tipp geben konnte. So partout fiel ihm keiner ein. Alles Pazifisten. Die von Maria ausgedruckten Berichte, meist Zeitungsartikel älteren Datums, über Claude Heidenbrück Juniors Nähe zu neonazistischem Pack waren zwar hochinteressant, zum jetzigen Zeitpunkt aber völlig irrelevant.
Betreffs der Uniformfrage fielen ihm wieder nur Bertha, Melibocus und der Polizist Frederik Funkal ein. Alle drei aber mehr als fraglich, was ihre Affinität zur Wehrmachtsbekleidung anging. Vielleicht noch Herr Lampert vom Jüdischen Museum, der ja sich von Berufs wegen mit so etwas beschäftigen mußte, dachte Herr Schweitzer, als es an der Tür klingelte.
Der Briefträger.
Ein Einschreiben aus Amerika.
Das gibt’s doch gar nicht, wunderte er sich, da braucht ein Brief von Maine nach Frankfurt genauso lange wie einer aus Offenbach. Na ja, Offenbach ist vielleicht ein bißchen unfair der Deutschen Post gegenüber, schließlich ist in diesem östlichen Randgebiet von Frankfurt erst kürzlich der Umstieg von der Pferdekutsche auf motorisierte Vehikel gelungen. Allerdings erfolgreich, was man so von Grenzgängern hörte. Und Telefonleitungen standen schon fürs nächste Jahr an. Er quittierte den Empfang.
Und dann hatte Esther auch noch an den Absender gedacht. Voller Vorfreude schnickte er sich die Puschen von den Füßen, knallte sich aufs Bett, daß die Pfosten knarrten, und schlitzte den Brief auf.
Liebe Miriam, ich hoffe dir geht’s besser und du hast noch mal drüber nachgedacht was ich dir gesagt hab. Das ich dich sehr liebe und das ist war!!!
O Gott, fuhr es Herrn Schweitzer durch den Sinn, hier hat’s aber einer mit der deutschen Sprache. Er las weiter:
Ich hab auch noch mal genau nach gerechnet und es ist doch daraus fast klar geworn das ich genauso eben so gut der Vater von der Petra sein kann wie dein Mann und du mir damals auch gesagt hast das da nichts mehr ist zwischen euch. Wenn du dich doch nur entscheiden könnst zur Scheidung. Ich hab auch schon mit Peter gesprochen der hat zwar gesagt das das geht mit der Heirat weil du doch blos Halbjüdin bist aber er kann da was machen und dann werst du sicher bei mir weil doch ihr Juden es nicht leicht habt im Moment. Auserdem ist mir Peter noch einen grosen Gefallen schuldich wo ich dir auch hab erzält von. Ach Miriam denk doch noch mal nach drüber du must dir doch auch nur noch doch einen kleinen Schubs geben. Die Ehe mit deim Mann existiert
…
Ups, dachte Herr Schweitzer, existiert ist richtig geschrieben.
… doch nur noch aufm Papier und wo der doch nur noch sein Geschäft im Kopp hat und meins geht immer besser. Laufend sind hier Umzüge gebraucht in diesen Tagen auch von vielen jüdischen Leuten die wo mich oft mit ersteklasse Möbeln bezahlen weil die fast kein Geld mehr ham und mein Lager wird immer gröser und ich hab auch schon mit Peter drüber gesprochen gehabt das der Laden auf der Zeil der wo schon so lange leer ist gerade genau für mich gemacht ist oder für uns wenn du dann doch einen Schlusstrich ziehst. Las uns wieder am Donnerstag sehn am selben Ort. Dein Schatz H
.
„Puuh“, sagte Herr Schweitzer laut. Eine echte Zumutung, dieser Schatz H. Aber abgesehen davon gab’s natürlich wieder ein paar Puzzleteile einzufügen. Miriam war also Halbjüdin. Heißt das nun, daß auch Esthers Großtante Rahel automatisch Halbjüdin sein mußte oder nicht?
Allein hierfür brauchte er fünf Minuten, was aber daran lag, daß er es mit Familienchroniken nicht so hatte. Für ihn hatte es ja nur seine Mutter gegeben. Und seine Halbschwester Angie. Halt. Stop. Halbschwester … Und er selbst war Vollsohn. Daraus ergibt sich ja zwangsläufig, daß
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