Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
nun Herrn Schweitzers vorhin gestellte Frage.
Herr Schweitzer dachte, der Herr Polizist hat aber eine vornehme Ausdrucksweise, den hält es bestimmt nicht lange in Sachsenhausen, wo doch hier eher im rustikalen Stil gebabbelt wird. „Das gibt sich, Heiner. Der Nackte Jörg ist selten nachtragend, so beschäftigt, wie der immer mit sich selbst ist.“ Doch gegenwärtig plagten ihn andere Sorgen. „Du, Frederik, ich hätte da ein Problem.“
„Entweder du hast eins, oder du hast keins“, bewies nun auch Funkal rhetorisches Feingefühl.
„Ich habe eins.“
„Raus damit. Wenn Papi dir helfen kann, dann tut er es auch. Vorausgesetzt, die Menge stimmt.“ Hierbei deutete er auf die Schnapsgläser, die gerade von René serviert wurden. Diese Art des Ausgleichs war von jeher Usus zwischen Funkal und ihm. Schon so manchen Abend hatten sich die beiden, und auch andere Ordnungshüter, auf Herrn Schweitzers Rechnung betrunken, was das Zeug hielt.
„Also, paß obacht, es gibt doch so eine neumodische Methode, wo es sich anhand von Fotos feststellen läßt, ob nur undeutlich zu erkennende Gesichter zu dieser oder jener Person gehören. Verstehst du, was ich sagen will?“
„Verstehe. Aber als neu würde ich die Methode nicht bezeichnen. Die Kripo wendet sie schon ein paar Jährchen an.“
„Auch gut. Ich meine, kennst du da jemanden, der damit umgehen kann?“
„Mann, Simon, einer meiner leichtesten Übungen. Gib mir die Fotos. Wie ich dich kenne, stecken sie bereits in der Innentasche deiner Jacke.“
Woher weiß er das bloß, überlegte Herr Schweitzer, ganz schön scharfsinnig, unsere heutigen Streifenpolizisten. Da mache sich noch einer Gedanken über’s Vaterland. „Hier, da hast du sie.“
„Übermorgen hast du das Ergebnis.“
„Klar, morgen machst du ja blau. Oder bist es, hihihi.“
Auch Heiner konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Jetzt hört mir mal genau zu, ihr beiden Arschgesichter, damit eins klar ist, der Funkal hat noch nie blau gemacht. Und hat es auch nie nicht vor. Und du, Simon, du kannst schon mal die Kohle zücken, diesmal ist Vorauszahlung angesagt. Und du leistest mir Gesellschaft, verstanden? Ich werde mir nämlich heute den absoluten Gong verpassen. Genau so, wie es die Lage mit diesem scheiß Politiker, der uns diese scheiß Überstunden eingebrockt hat, erfordert. Alles klar?“
„Alles klar, Mann“, bewies Herr Schweitzer Sportsgeist. Eine ruhige Kugel würde er heute nicht mehr schieben.
Alles in allem harte Tage, die er da absolvierte, denn die Nacht mit Maria steckte ihm ja auch noch in den Knochen.
Zwei Tage später hatte Herr Schweitzer, wie versprochen, die Bestätigung von Funkal erhalten. Der mit Hermann Bauer und der KZ-Nummer auf dem Unterarm benamte Herr war derselbe wie auf dem Grillfest, wohingegen derjenige mit Miriam und dem Kleinkind vor dem Möbelgeschäft ein anderer war. Auch wenn sie sich in gewisser Weise ähnlich sahen.
Dies alles besprach er mit Esther, während Laura arbeiten war. Herr Schweitzer war mittlerweile zu der felsenfesten Überzeugung gelangt, alle bisher zusammengetragenen Informationen und Beweisstücke fußten auf der Wahrheit, ausgenommen, daß der in Tel Aviv lebende Joshua Silbermann derjenige war, für den er sich ausgab. Und Esther hatte ihm in allen Belangen zugestimmt, wohl auch deshalb, weil ihr keine anderen Erklärungen mehr einfielen.
Und wenn nicht noch ein Wunder geschieht, so Herrn Schweitzers Gedanken, dann ist das wohl das Ende. Es sei denn, Esther redete noch mal mit ihren Großeltern, allerdings mit einer zäheren Nachdrücklichkeit als bisher. Das sagte er ihr auch, wiewohl ihm deuchte, ihr friedliebender Charakter würde sie daran hindern.
„Nein, Simon. Das bringe ich nicht übers Herz. Wenn sie ein Geheimnis haben, das sie vor mir verbergen möchten, so muß ich mich fügen. Ich bin zwar nicht im zionistischen Sinne erzogen worden, doch meine Großeltern achte ich sehr, verstehst du?“
Widerwillig versetzte er: „Ja, dafür habe ich Verständnis. Doch solltest du wissen, daß das Geheimnis der beiden dann wohl auf ewig ungelüftet bleibt.“
„Haben wir denn keine andere Wahl mehr?“
„Ich fürchte: Nein.“
„Und wenn in den Unterlagen von Melibocus doch noch ein Hinweis steckt, von dem wir bisher noch nichts wußten?“
„Das hätte er mir schon verraten. Aber ich kann ja noch mal nachfragen.“
„Jetzt gleich? Du weißt, ich fahre heute noch nach Berlin zurück.“
Nach dem
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