Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Frankfurt?“
Doch Herr Schweitzer spielte Fels in der Brandung, während er vom Geheimdienst in die Mangel genommen wurde: „Och, ich guck doch bloß.“
„Das sagtest du bereits. Und was genau guckt der Herr bloß?“ Doch da hatte sie schon das Wort Istanbul gelesen. „In die Türkei, na so was. Schöne Stadt. Hagia Sophia, Topkapi-Palast, die Bosporus-Brücke. Vor zwanzig Jahren oder so war ich mal dort.“ Maria verstummte und begann, Herrn Schweitzers Rücken zu massieren.
Diesem stockte der Atem. Er wurde das Gefühl nicht los, ihr Rechenschaft schuldig zu sein. „Ich dachte, ich schau mal nach, wie lange man von hier bis Tel Aviv unterwegs ist. So rein interessehalber.“
„Tel Aviv“, schwärmte Maria verträumt. „Auch sehr hübsch, dort. Jaffa. Das Kunstmuseum. Bauhaus.“
Herr Schweitzer hielt es für angebracht, besser den Mund zu halten.
Urplötzlich dämmerte es ihr. „Tel Aviv? Dort wohnen doch Esthers Großeltern. Ach komm, geht der große Detektiv ins Ausland recherchieren. Klingt verdammt nach Robert Ludlum. Buah, ist das aufregend. Wußt ich’s doch, wenn einer zum Helden erkoren ist, dann mein Simon. Schatz, ich bin stolz auf dich.“
Das alles sprach sie im Brustton der Überzeugung, bevor ihr ein weiteres Licht aufging. „Istanbul? Du willst doch nicht etwa mit der Eisenbahn nach Tel Aviv fahren?“
Natürlich wollte er. Warum sonst hätte er die Website der Deutschen Bundesbahn aufrufen sollen?
Maria spähte genauer hin. Tatsächlich, die Abfahrtszeiten in die Türkei.
Herrn Schweitzer wurde nun immer mulmiger zumute. Er war in die Enge getrieben. Zur Ablenkung spielte er den letzten Trumpf aus: „Der Weg ist das Ziel.“
Doch unterschwellig schwante es ihr schon. „Jetzt mal von Hausfrau zu Hausfrau: Du willst mir doch nicht ernsthaft verklickern, daß du den ganzen weiten Weg bis nach Tel Aviv mit dem Zug zurücklegen willst. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt möglich ist. Du müßtest durch den Libanon und …“
„Na und. Es gibt ja auch noch Busse“, unterbrach er mit einer Stimme, die heulendes Elend in sich barg, aber nicht verbarg.
„Aber selbstverständlich. Du mit deinen Englischkenntnissen landest doch eher in der Mongolei, als daß du dich der israelischen Grenze auch nur näherst.“
„Ich dachte, ich probier’s halt mal. Schadet doch keinem“, piepste Herr Schweitzer.
Maria aber ließ sich das Heft nicht mehr aus der Hand nehmen. Sie wußte nun mit aller Gewißheit, wo ihrem Liebsten der Schuh drückte. „Schon mal was von Flugzeugen gehört?“ Ihr gefiel das Spiel. Dergestalt verunsichert war ihr Simon noch nie untergekommen. Sonst war er immer die Ruhe und Ausgeglichenheit in Person. Und Selbstbewußtsein hatte er im Überfluß, weswegen sie sich ja auch immer noch zu ihm hingezogen fühlte. Außer seinen Mittagsschläfchen, ohne die für ihn der Abend manchmal zur Tortur werden konnte, schien er frei von jedweder Macke zu sein. Nicht so wie all die anderen Männer, die in der Vor-Simon-Zeit eine Rolle gespielt hatten. Und diese sich nun offenbarende Schwäche fand sie einfach nur süß. Sie küßte seinen Hinterkopf.
„Hör mir auf mit Flugzeugen. Die sind doch oberlangweilig.“
„Das schon, aber megaschnell. In drei oder vier Stunden ist man schon in Tel Aviv.“
Herr Schweitzer gluckste. „So schnell?“
„So schnell kannst du gar nicht gucken und, schwuppdiwupp, bist du auch schon gelandet. Weißt du was? Ich lade dich ein.“
„Einladen? Wozu?“
Maria schwenkte den Chardonnay vor seine Nase. „Erstens, meine Skulptur ist gerade fertig geworden.“
Damit ließe sich leben. „Und zweitens?“
„Ich bezahle die Tickets. Du recherchierst. Ich gehe derweil bummeln und shoppen, oder was Frauen eben so machen, und wobei Männer nur stören. Und wenn mein Held dann den Fall gelöst hat, machen wir noch eine Rundreise. Fahren vielleicht mal nach Alexandria rüber, da war ich noch nie. Was hältst du davon?“
Nie und nimmer. Kommt gar nicht in die Tüte.
Zwanzig Sekunden Pause.
Doch Held bleibt ebenso Held wie Persil Persil. Demonstrativ verabschiedete sich Herr Schweitzer vom Computer. „Gebongt. Wann geht’s los?“ Wie um sich Mut für das größte Wagnis seiner Existenz einzuhämmern, stand er militärisch straff auf, umarmte Maria und verbiß sich in ihre Lippen. Noch war es ja nicht soweit. Und bis es soweit war, daß er ein Flugzeug bestieg, konnte noch viel passieren. Suizid oder Masern, zum Beispiel.
Maria war
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