Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
euch zum Essen ein. Maria natürlich auch, ich kenne sie ja noch gar nicht.“
Herr Schweitzer hieß diesen Vorschlag willkommen: „Au fein, machen wir morgen weiter.“
Mit missionarischem Eifer hatte er die Speisekarte des italienischen Restaurants in der unteren Brückenstraße studiert, schließlich gehörte der kulinarische Genuß nebst Maria und Mittagsschlaf zu den Schweitzerschen Grundbedürfnissen, ohne die nichts lief im Leben. Nach seiner Gewohnheit schlug er, wie immer, wenn er hier verkehrte, heftig zu. Selbstredend hatte er sich vorher bei Esther erkundigt, ob das okay gehe, wenn er zuzüglich der mediterranen Fischplatte ein Octopuscarpaccio auf Linsensalat als Vorspeise und das Tiramisu als Dessert bestelle. Was ihm unter dem Gelächter der weiblichen Begleitung auch zugebilligt wurde.
Bei getragener südländischer Folklore wurde dann vorzüglich diniert. Esther und Maria verstanden sich auf Anhieb. Bei der Nachspeise war Herr Schweitzer der einzige, der nicht auf seine Linie achtete, oder, anders ausgedrückt, der einzige, in den noch etwas hineinpaßte. Danach brachten Esther und er Maria auf den neusten Stand der Dinge.
Herr Schweitzer befand sich gerade in aussichtsreichen Verhandlungen mit der Wirtsfrau betreffs einer weiteren Karaffe Barceló Tinto Castilla y Lèon, als seine Angebetete ihn in Erstaunen versetzte: „Warum laßt ihr die beiden Gesichter auf den Fotos von diesem angeblichen Hermann Bauer und Joshua Silbermann nicht einfach kriminaltechnisch abgleichen? Ich weiß zwar nicht, wie die Methode heißt, aber mit einem Computerprogramm kann man doch den Abstand der Augen, Ohren, Kieferpartie und des Mundes zueinander messen. Das ist wie mit Fingerabdruck und Gentest. Danach kann man sich sicher sein, ob es sich um identische Physiognomien handelt oder nicht.“
Für Herrn Schweitzer war es ein Schlag ins Kontor. Wer war hier der Detektiv, wer die Künstlerin? Doch genau das war sein wunder Punkt. Die forensische Untersuchung hatte die Lupe ersetzt. Mit Agatha Christies Methoden ließ sich heute kein Staat mehr machen. Im übrigen setzte Herr Schweitzer mehr auf Kopfarbeit. „Ach, das geht?“
Es blieb Esther anheimgestellt, den nächsten Schlag zu führen: „Mensch, Simon, guckst du denn nie Krimis?“
Laura: „Oder liest welche?“
Maria: „Doch, Agatha Christie.“
Hört das denn nie auf?
Laura: „Und Arthur Conan Doyle.“
Es wurde Zeit, sich zu wehren. „Ich habe auch schon Nikola Hahn gelesen.“
Laura: „Stimmt, in deren Bücher wurde gerade die Daktyloskopie erfunden.“
„Die was?“
Wie auf Kommando stöhnten die drei Weibsbilder: „Die Finger-ab-druck-kun-de.“
„Aah, das sagt mir etwas.“ Vielleicht habe ich mich das letzte Jahrhundert doch zu sehr auf meinen Lorbeeren ausgeruht. Oder mir fehlt bloß die nötige Einstellung. Ach, Blödsinn, Hauptsache, ich kann immer horche, immer gucke. Damit kommt man im Leben auch weiter. „Ich hätte da ein paar Beziehungen in diese Richtung anzubieten.“
„Wie schön“, kam es recht sarkastisch von Maria, die ihn dabei aber, um dem auch gleich die Spitze zu nehmen, anlächelte, „ist der Herr ja doch zu was nütze.“
„Na, hör mal.“
„Schon gut, du kannst ja nachher noch mit zu mir kommen.“
Esther und Laura kicherten. Herr Schweitzer errötete.
Um einem weiteren Sittenverfall vorzubeugen, sagte er hastig: „Erst muß ich noch in den Frühzecher, dort hält sich meine Connection nämlich des öfteren auf.“ Mit dem eben mal so dahin geworfenen Wort Connection glaubte er, in puncto Modernität verlorenen Boden zurückerobert zu haben.
Sei es wie es sei, Maria und er machten sich später noch auf den Weg zum Frühzecher, Esther und Laura auf die Pirsch.
Das Vier-Uhr-Lokal erfreute sich nach wie vor größter Beliebtheit, auch wenn durch die Aufhebung der Sperrstunde in Frankfurt vor ein paar Jahren sich so mancher frühere Gast seltener zeigte. Ihm, Herrn Schweitzer, erging es ja ähnlich. Saß er einmal, quatschte er sich fest oder war einfach nur zu faul, eines einzigen Absackers wegen noch die Kneipe zu wechseln.
Sehr zu seinem Unmut war seine Connection nicht da. Vom Wirt René erfuhr er, daß Frederik Funkal gerade die letzte Nachtschicht absolvierte, morgen aber wieder fest mit ihm zu rechnen sei. Am Tresen hatten sich ein paar Leistungstrinker und andere Eigenbrötler installiert, und da weder Maria noch er schon über die gewünschte Bettschwere verfügten, blieb man einfach, trank
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