Die Leiche am Fluß
vielleicht können Sie mir helfen. Hoffentlich. Herzlich willkommen daheim!!
Brenda (Brooks)
Julia mußte lächeln. Brenda setzte in Klammern immer ihren Nachnamen hinzu, als beschäftige Julia eine ganze Schar von Raumpflegerinnen, so daß die Gefahr einer Verwechslung bestand. Und immer dieses unterwürfige «Mrs. S.», obgleich Brenda jetzt seit vier Jahren für sie arbeitete und mit zweiundfünfzig fast sieben Jahre älter war als Julia. Deren Lächeln erlosch, als sie den vorletzten Satz noch einmal las, und unwillkürlich runzelte sie die Stirn.
Es war ein schöner, sonniger Tag, der September wollte ihnen offenbar zum Trost für einen wechselhaften Sommer ein goldenes Finale bieten. Es war fast zu warm für einen Herbsttag, trotzdem fröstelte Julia ein wenig. Dann aber schloß sie die Hintertür auf und entriegelte sie, und ihr eben noch ein wenig trauriges, abgespanntes Gesicht war plötzlich auf wunderbare Weise verwandelt. Aus den Büschen des kleinen Gartens kam ein rötlichbrauner Kater hervor und sah zu seiner Herrin hoch.
Julia sah jetzt richtig glücklich aus. Und sehr schön.
6
Wenn Neid und Faulheit sich vereinen, zeugen sie die Neugier.
(Thomas Füller, Gnomologia)
Morse hatte sich dann doch dafür entschieden, das Gespräch mit Laura Wynne-Wilson in deren Erdgeschoßwohnung zu führen, sofern es der Dame recht war. Der Dame war es recht.
Sie hege erhebliche Zweifel, erklärte sie, ob der andere Kriminalbeamte ihre Aussage ernst genug genommen hatte, ja sie habe entschieden den Eindruck gewonnen, daß er sich das, was sie zu sagen hatte, zwar höflich, aber nicht sehr aufmerksam angehört hätte. Und was hatte sie zu sagen gehabt? Dinge, die mit Dr. McClure zu tun hatten, einem netten Herrn und sehr guten Nachbarn. Als Sekretär des Mieterausschusses hatte er diesen Faulenzern, deren Aufgabe es war, die Außenanlagen in Ordnung zu halten, einen großartigen Brief geschrieben. Einen Brief, der sich gewaschen hatte! «Wenn ich so sagen darf...»
Sie sprach leise und affektiert, mit einem leichten Lächeln auf den schmalen Lippen.
«Na, dann erzählen Sie mal!» röhrte Morse.
«Bitte schreien Sie mich nicht an, Inspector. Mit übermäßiger Lautstärke ist Schwerhörigen nicht geholfen. Was sie brauchen, sind eine klare Aussprache und deutliche Lippenbewegungen.»
Lewis lächelte still vor sich hin, während die zierliche, schlohhäuptige Seniorin fortfuhr: «Dr. McClure bekam ziemlich regelmäßig Besuch. Von... von einer Frau.»
«Was ja nicht ungewöhnlich ist», sagte Morse, um klare Aussprache und deutliche Lippenbewegungen bemüht.
«Nein. Es könnte ja auch eine Verwandte gewesen sein.»
Morse nickte. Er wußte, daß McClure bis auf eine Nichte in Neuseeland keine lebenden Angehörigen hatte.
«Oder auch nicht. Er hatte nämlich in England keine lebenden Angehörigen, Inspector.»
« Soso.» Morse fand — anders als Phillotson — , daß es sich durchaus lohnen konnte, das alte Mädchen mit dem gebührenden Respekt zu behandeln.
«Nein. Sie war sein , wie wir das früher nannten. Gar kein schlechter Ausdruck, finde ich.»
«Es gibt bedeutend schlechtere», bemerkte Lewis, der es aber offenbar an einer hinreichend klaren Aussprache hatte fehlen lassen, denn Laura fragte «Bitte?» und tat im übrigen, als sei dieser Mann, der da herumsaß und sich Notizen machte, eine recht überflüssige Erscheinung.
Jetzt lächelte Morse still vor sich hin.
«Ja, wie gesagt, diese... Frau war öfter hier. Bestimmt drei-, viermal im letzten Monat.»
«Um welche Tageszeit?»
«Immer gegen halb acht.»
«Und Sie haben die Frau... äh... tatsächlich gesehen?»
« ist ein albernes Wort, Inspector, ein Wischiwaschiwort. Ein Lückenfüller. Ob ich sie tatsächlich gesehen habe, weiß ich nicht. Ich weiß nur: Ich habe sie gesehen, Punktum.»
Touché.
Morse sah zum Fenster hinüber. Die dünnen weißen Tüllgardinen waren rechts und links gefällig gerafft. Auf beiden Seiten standen Geranientöpfe, in der Mitte drei Vasen aus geschmackvollem blauweißem Porzellan, die aber freie Sicht auf den von zwei quadratischen Pfeilern aus gelbem Backstein flankierten Eingangsbereich der Wohnanlage gewährten, den man zwangsläufig passieren mußte, wenn man einen Besuch in Daventry Court machen wollte. Es sei denn, man sei ein Einbrecher. Oder ein Mörder... Und diese neugierige Alte beobachtete natürlich das Kommen und Gehen hier im Haus mit nimmermüdem
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