Die Leiche im Badezimmer
die kommende Angstneurose wartete bereits
vor der Tür. Ich nahm den Revolver aus der Gürtelhalfter und schnupperte am
Lauf — wobei ich versuchte, den schwachen Korditgeruch nicht wahrzunehmen. Ich öffnete das Magazin und sah, daß eine Patrone fehlte.
»Al!« Helen Walsh stand in der
offenen Tür und beobachtete mich.
»Ich habe gerade die Mordwaffe
gefunden«, sagte ich und schob das Magazin wieder ein. »Mein eigener Revolver.«
Ihr Gesicht wurde starr und die
saphirblauen Augen riesengroß, während sie all ihre Fragen und Zweifel
widerspiegelten.
»Sie haben recht«, sagte ich
als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage. »Ich könnte Celestine Jackson
erschossen haben, ohne mir dessen auch nur bewußt gewesen zu sein.«
7
Über dem offenen Kamin war das
Sims, und darüber befand sich das Bild der nackten Rückseite von Celestine
Jackson. Es war nach wie vor ein schönes Hinterteil, dachte ich müde, aber es
sprach nicht mehr zu mir, genauso wie das flachsblonde Mädchen zu niemandem
mehr sprechen würde. Ich zuckte zusammen, als Ed Sanger ein Blitzlicht aufflammen
ließ, das mich blendete und aufs unangenehmste an meine selbst erschaffene
Sonne denken ließ, bei der es sich vermutlich um den Scheinwerfer eines
Fotografen gehandelt hatte. Celestines nackter Körper lag mit ausgestreckten
Gliedern in der Nähe des Kamins, umgeben von Fetzen zerrissener
Kleidungsstücke. Ihre tiefblauen Augen standen weit offen, und ihr Gesicht war
eine starre Maske des Entsetzens. Ihr Körper wies tiefe Kratzer auf, und eine
Spur geronnenen Blutes führte von dem Schußloch in
ihrer linken Brust bis zu einer braunen Pfütze auf dem Teppich unmittelbar
unterhalb ihrer Rippen hinab. Ich wandte mich ab und zündete mir eine Zigarette
an, wobei ich dem Impuls widerstand, meine Fingernägel auf etwaige Partikelchen
ihres Fleisches zu untersuchen.
Doc Murphy richtete sich von
den Knien auf und kam zu mir herüber. »Sie sehen mitgenommen aus, Al.«
»Seit wann ist sie tot?«
»Okay.« Er zuckte die
Schultern. »Lassen wir die Höflichkeitsfloskeln weg. Die Todeszeit liegt
irgendwann zwischen acht und neun Uhr heute abend .
Die Obduktion wird erweisen, ob sie an dem Geschoß in ihrem linken
Herzventrikel gestorben ist wie das andere Mädchen. Glauben Sie, daß hier eine
Art Lustmörder am Werk ist, Al?«
»Wie bitte?« brummte ich.
»Beide Mädchen waren blond,
jung und hübsch. So wie die Sache hier aussieht, würde ich außerdem sagen, sie
ist sexuell ebenfalls mißbraucht worden.«
»Ebenfalls?« Ich starrte ihn
entgeistert an. »Sie haben in Ihrem Obduktionsbefund über Goldie Baker nichts
dergleichen erwähnt.«
»Vielleicht haben Sie ihn nicht
gelesen?«
»Sie haben recht«, sagte ich
ungnädig. »Lavers hatte ihn auf seinem Schreibtisch liegen, und wir haben uns
zu dem Zeitpunkt über etwas anderes gestritten.«
»Ihr beide seid ein großartiges
Team.«
»Machen Sie besser, daß Sie nach
Hause kommen, Doc«, zischte ich. »Ihre Frau jagt vermutlich bereits den
Milchmann die Straße entlang.«
Seine grimmig dreinblickenden
Augen betrachteten ein paar Sekunden lang scharf mein Gesicht. »Bedrückt Sie
irgendwas?« fragte er milde. »Was Wichtiges? Vielleicht haben Sie eine
unbefriedigte Blonde in Ihrer Wohnung zurückgelassen?«
»Das einzige, was mich
bedrückt, sind Sie, Ihre kleine schwarze Tasche und Ihr lausiger Sinn für
Humor.«
»Sie wollen mir eigentlich was
erzählen.« Er grinste flüchtig. »Vielleicht haben Sie recht, ich habe wirklich
einen lausigen Sinn für Humor. Ich werde gegen zehn mit der Obduktion beginnen.
Wollen Sie, daß ich das Geschoß den Ballistikern schicke, damit sie feststellen
können, ob es sich um das gleiche Kaliber handelt wie das in der Leiche der
kleinen Baker?«
»Vermutlich, ja«, sagte ich mit
erstickter Stimme.
»Ihre Stimme klingt, als ob das
letzte, was Sie wollen, sei, den Mörder zu erwischen.«
»Ich denke ernsthaft daran,
umzusatteln und Medicomane zu werden«, sagte ich. »Das
ist...«
»Ein Bursche, der nur Ärzte
umbringt«, beendete er den Satz. »Nach diesem Witz fühle ich mich besser, Al.
Danke! Damit sind wir mit unserem lausigen Sinn für Humor wenigstens zu zweit.«
Ed Sanger kam zu uns
herübergeschlendert. »Ich habe eine Million Aufnahmen.« Er sah mich
vorwurfsvoll an. »Ich werde Ihnen zum Valentinstag eine schicken.«
»Und auch eine Million
Fingerabdrücke?« fragte ich.
Er nickte. »Die auch.«
»Was haben Sie sonst noch
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