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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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geschickt. Wahrscheinlich
     erinnern Sie sich nicht mehr?«
    »Doch, ich erinnere mich.« Die Alte sah sie immer noch schwer und unverwandt an.
    »Wie geht es Wassili?« fragte Lena und lächelte.
    Am liebsten wäre sie aufgestanden und gegangen. Unter diesem schweren, durchdringenden Blick war ihr unheimlich zumute.
    »Willst du etwas von ihm, oder fragst du einfach aus Neugier?« In den ausgeblichenen Augen funkelte es spöttisch.
    »Ich … Verstehen Sie, ich bin Journalistin. Ich schreibe einen Artikel darüber, was aus den Amateurdichtern geworden ist,
     deren Verse wir einmal in unserer Zeitschrift abgedruckt haben«, sagte Lena – es war das erste, was ihr in den Kopf kam.
    »Wassili – ein Dichter?« Die Alte brach in leises, knarrendes Gelächter aus, aber ihre Augen blieben ernst.
    »Ja, er hat interessante Verse geschrieben.«
    »Raja!« erklang eine Stimme von nebenan. »Die Kartoffeln werden kalt!«
    »Ißt du mit uns zu Abend?«
    »Danke, aber …«
    Lena war verwirrt. Es sah durchaus nicht so aus, als freueman sich über ihr Kommen. Trotzdem wurde sie zum Essen eingeladen. Sie hatte in ihrem Leben schon mit vielen verschiedenen
     Menschen gesprochen, aber noch nie hatte sie sich so merkwürdig und unwohl gefühlt wie bei dieser unbekannten alten Frau,
     die mit ihren ausgeblichenen, kalten Augen alles zu durchschauen schien und wohl auch wußte, daß Lenas Geschichte über den
     Artikel erfunden war.
    Man hörte schlurfende Schritte, und die Schwester kam ins Zimmer. Sie stellte schweigend eine große Emailleschüssel auf den
     Tisch, ging dann hinaus und kam eine Minute später mit Tellern und Gabeln wieder. Ohne ein Wort zu sagen oder jemanden anzusehen,
     deckte sie den Tisch. Außer Kartoffeln gab es noch Salzgurken, Brot und Sauerkraut.
    »Warum ißt du nichts?« fragte Raissa Danilowna. »Keine Bange. Iß, und danach erzähle ich dir alles, was du wissen willst.«
    »Danke«, erwiderte Lena und zerquetschte mit der Gabel eine dampfende Kartoffel.
    »Nimm von den Gurken, wir haben sie selbst eingelegt«, bemerkte die Schwester.
    »Entschuldigung, wie ist Ihr Name?« wandte Lena sich an sie.
    »Soja Danilowna«, stellte die Schwester sich vor und lächelte freundlich. Lena wurde ein wenig ruhiger. Die Gurken schmeckten
     tatsächlich sehr gut, das mit Moosbeeren zubereitete Sauerkraut knackte munter zwischen den Zähnen. Bald fühlte sich Lena
     sogar behaglich, obwohl Raissa Danilowna sie weiterhin mit ihren seltsamen Augen anschaute.
    Nach dem Essen tranken sie Tee mit Minze und Zitrone, und erst nach dem zweiten Becher begann Raissa Danilowna zu reden:
    »Du suchst den Mörder. Ich wußte, früher oder späterwird jemand kommen und nach dem wirklichen Mörder suchen. Nicht die Miliz oder die Staatsanwaltschaft, sondern jemand wie
     du. Aber etwas mußt du wissen. Es gab nur einen Menschen, der beweisen wollte, daß mein verstorbener Mann, Gott gebe ihm die
     ewige Ruhe«, die Alte wandte sich zum Gebetswinkel und bekreuzigte sich dreimal, »daß mein Nikita unschuldig ist. Nur diesen
     einen, und der wurde ermordet. Er war aus Tobolsk, arbeitete bei der Miliz. Möge der Herr auch ihm die ewige Ruhe geben.«
     Sie bekreuzigte sich erneut.
    »Oberleutnant Sacharow«, sagte Lena leise.
    »Richtig.« Die Alte nickte. »Sacharow. Eine ganze Gruppe war im Einsatz, aus Tobolsk und aus Chanty und unsere eigenen Leute
     aus Tjumen, zehn insgesamt. Meinen Nikita haben sie festgenommen, als er an einem Kiosk irgendwelche Klunker verkaufen wollte.
     Er hatte sie in der Tasche seiner Steppjacke gefunden. Sein Geld reichte nicht mehr für eine ganze Flasche, also machte er
     sich auf, das Zeug zu verkaufen. Da haben sie ihn verhaftet. Im Sommer war er noch bei seinem Schwager in Tobolsk gewesen,
     dort gab’s Saisonarbeit für ihn. Der letzte Mord war ja in Tobolsk geschehen.«
    »Im Juni 1982?« fragte Lena.
    »Ja, im Juni, unmittelbar vor Pfingsten.«
    »Sagen Sie, Raissa Danilowna, gab es außer den Schmuckstücken und der Tatsache, daß Ihr Mann im Juni in Tobolsk war, noch
     andere Indizien?«
    »Das Blut paßte.«
    »Sie meinen, die Blutgruppe Ihres Mannes war dieselbe wie die des Mörders?«
    »Ja. Und außerdem hat man bei uns hinterm Ofen einen Pullover gefunden. So ein heller, er gehörte uns nicht. Darauf waren
     Blutflecken, halb ausgewaschen, aber nicht ganz. Die Gutachter sollen festgestellt haben, daß es das Blut des ermordeten Mädchens
     war. In den Pullover war ein Messereingewickelt,

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