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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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die Poljanskaja abgeflogen war, hatte er sich mit dem FSB in Tjumen in Verbindung gesetzt und darum gebeten, die Journalistin
     und ihren Amerikaner im Auge zu behalten, nur für alle Fälle, weil er ein gewissenhafter Mensch war und nicht daran schuld
     sein wollte, wenn der leichtsinnigen Frau des Oberst etwas passierte.
    Aber offensichtlich war sie gar nicht so leichtsinnig. Es ging wohl auch gar nicht um Liebe und Eifersucht. Nach allem, was
     der Gewährsmann aus Tjumen berichtet hatte, befaßte sich die Poljanskaja dort mit privaten Ermittlungen. Vermutlich hatte
     das auch mit Wolkow und der Gradskaja zu tun. Sehr wahrscheinlich sogar. Liebe und Eifersucht dienten nur der Tarnung, waren
     nur ein Spiel. Aber wer von den dreien spielte die Hauptrolle?
    Mittlerweile wußte er, daß Wenjamin Wolkow in Tobolsk geboren und aufgewachsen war. Auch seine Frau Regina Gradskaja war dort
     geboren. Und die Poljanskaja war im Juni 1982 in Tobolsk gewesen, zusammen mit ihrer Freundin Olga Sinizyna und deren Bruder
     Dmitri, eben dem, der sich kürzlich erhängt hatte …
    Ich muß hinfahren, sagte Ijewlew nachdenklich zu sich selbst. Ich muß mir unbedingt den Fall von Slepak senior genauer ansehen.
    Er beschloß, am folgenden Abend nach Tjumen zu fliegen. Im Vorgefühl eines großen Falles und eines großen Erfolgs juckten
     ihm schon die Finger.

Kapitel 30
    Lena öffnete das Fenster ihres Hotelzimmers und zündete sich eine Zigarette an. Sie überlegte, was sie morgen früh in der
     psychologischen Beratungsstelle sagen könnte. Würde überhaupt jemand mit ihr reden wollen?
    Angenommen, im November oder Dezember 1982 hatte jemand Gelegenheit gehabt, die Krankenblätter der registrierten Patienten
     durchzusehen. Darauf war bestimmt auch die Blutgruppe notiert. Wer konnte das gewesen sein? Der Mörder selbst? Oder jemand
     anders? Auf jeden Fall mußte dieser Jemand dort entweder persönliche Bekannte gehabt haben, oder er kannte einen anderen Weg.
     Wer hat offiziell Zugang zu solchen Daten? Ein Mitarbeiter der Miliz, der Staatsanwaltschaft, ein Psychiater aus einem anderen
     Bezirk oder einer anderen Stadt. Schließlich gewährt man nicht jedem Dahergelaufenen Einblick in die Akten.
    Bei den Schwestern Slepak war eine Frau gewesen. Angenommen, sie hatte den handgestrickten hellen Pullover hinter dem Ofen
     versteckt. Dann hatte sie logischerweise auch Zugang zur Kartei gehabt. Wolkows Frau ist Psychiaterin … Nein, das paßt wieder
     nicht. Raissa Danilowna hat gesagt, die Frau habe »zum Fürchten ausgesehen«. Regina Gradskaja aber ist eine Schönheit.
    Lassen wir Wolkow und die Gradskaja mal beiseite. Dann haben wir eine Gleichung mit zwei Unbekannten. X und Y. Ein Mann und
     eine Frau. Die Frau Y war dem Mörder X behilflich, den Säufer Slepak durch untergeschobenes Beweismaterial zu belasten. Nach
     der Festnahme von Slepak hörten die Morde auf. Hat er danach nicht mehr getötet? Hat sie ihn etwa geheilt?
    Lena erinnerte sich, daß Crowell in seinem Artikel geschrieben hatte, manche Mörder und sexuelle Psychopathenseien in starkem Maße beeinflußbar; es seien Fälle bekannt, in denen sie durch Hypnose und Psychotherapie vollständig geheilt
     worden seien. Wenn die Krankheit keine organischen Ursachen habe, nicht mit Schizophrenie, Oligophrenie oder ähnlichem zusammenhänge,
     dann gebe es immer Hoffnung.
    Es wurde kalt. Lena schloß das Fenster und hängte sich ihre Jacke um. Aber sie fror immer noch. Ihr fiel ein, daß Mitja ein
     psychiatrisches Lehrbuch gelesen hatte. Er war also auf derselben Spur gewesen.
    Eine Tasse Tee wäre jetzt nicht schlecht, um sich aufzuwärmen. In ihrer Reisetasche mußte noch eine Packung Pickwick-Tee mit
     Erdbeeraroma sein, die sie im letzten Moment in das Seitenfach gesteckt hatte.
    Der Reißverschluß des Seitenfachs war geöffnet. Lena wußte genau, daß sie tagsüber nichts herausgeholt hatte. Den Reißverschluß
     des Hauptfachs dagegen hatte sie offengelassen, und der war jetzt zugezogen. Der Tee lag an Ort und Stelle. Lena öffnete die
     Tasche. Kein Zweifel – jemand hatte in ihren Sachen gewühlt, gründlich und systematisch. Aber die Kleinigkeiten hatte er nicht
     beachtet: die Reißverschlüsse verwechselt, das Nachthemd und die Unterwäsche nicht in die Plastiktüte zurückgelegt. Dafür
     waren Pullover und Wollrock viel ordentlicher zusammengelegt, als Lena selbst es in der Eile des Packens getan hatte.
    Während sie ihre Sachen sortierte, stellte sie fest,

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