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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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daß nichts fehlte oder beschädigt war. Die Tasche war nur durchsucht
     worden. Wozu? Nach einer Fortsetzung des Moskauer Dramas sah das nicht aus. Das war etwas Neues.
    Lieber Gott! Mach, daß dieser nette Sascha wirklich vom FSB ist. Oder meinetwegen vom Innenministerium. Vielleicht hat sich
     Mischa mehr Sorgen gemacht, als ich dachte, und läßt mich hier überwachen? Nein, er hättemich gewarnt. Und Sascha würde sich anders benehmen. Womöglich ist er von Major Ijewlew beauftragt, mich zu beobachten? Gebe
     Gott, daß es so ist.
    ***
    Mischa Sitschkin war niedergeschlagen. Er hatte gerade vom Tod zweier Untersuchungsgefangener erfahren – Andrej Lichanow,
     genannt Spaten, und Ruslan Kabaretdinow, genannt Kralle. Beide waren in der vergangenen Nacht fein säuberlich erwürgt worden.
     Sie hatten in verschiedenen Zellen gesessen, die beide überfüllt waren, aber natürlich hatte keiner der Zellengenossen etwas
     gesehen oder gehört.
    So ein Teufelsweib! dachte Mischa, während er im Zimmer auf und ab ging und die siebte Zigarette dieses Morgens qualmte. Pascha
     Sewastjanow ist nichts passiert, den hat das schlaue Biest nicht angerührt. Klar, einer muß ja für den Mord an Asarow büßen.
    Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er war wütend und nervös. Zwar hatte nicht er es zu verantworten, wenn jemand die
     Aufzeichnung des Verhörs von Sewastjanow kopiert und der Gradskaja übergeben hatte. Aber er hätte von Anfang an daran denken
     müssen.
    Das Telefon schrillte so unerwartet, daß Mischa zusammenzuckte.
    »Ijewlew. Wir müssen miteinander reden.«
    »Allerdings«, erwiderte Mischa, »und am besten an der frischen Luft.«
     
    Eine halbe Stunde später saßen sie auf einer Bank im Eremitage-Garten. Es war ein klarer Vormittag. Magere Frühlingsspatzen
     hüpften mit fröhlichem Gezwitscher um eine feuchte Brotrinde herum. Die beiden Majore merkten gar nicht, daß sie zum »Du«
     übergingen.
    »Heute nacht fliege ich nach Tjumen«, erklärte Ijewlew.»Die Frau deines Chefs hat beschlossen, auf eigene Faust zu ermitteln. Ich denke, es ist Zeit, ihn davon in Kenntnis zu setzen.
     Sonst ist dein Oberst unversehens alleinerziehender Witwer.«
    »Makabre Witze machst du«, sagte Sitschkin kopfschüttelnd.
    »Was heißt hier Witze! Ich meine das todernst.« Ijewlew steckte sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück. »Tauschen wir
     also unsere Informationen aus, offen, ehrlich und brüderlich.«
    »Meine Informationen sind seit heute morgen nur noch einen Dreck wert«, winkte Sitschkin ab. »Letzte Nacht hat man zwei meiner
     Untersuchungsgefangenen in ihren Zellen ermordet. Mit bloßen Händen erwürgt von ihren reizenden Mithäftlingen. Jetzt bin ich
     wie der sprichwörtliche Hund – ich begreife alles, aber reden kann ich nicht. Ich war der Gradskaja schon auf die Spur gekommen.
     Man hätte den beiden Gaunern nur noch ein bißchen einheizen müssen – aber jetzt sind sie tot.«
    »Und das Motiv?« fragte Ijewlew rasch.
    »Das Motiv«, wiederholte Sitschkin nachdenklich. »Beweise gibt es genug, aber nicht den Hauch eines Motivs.«
    »Um das Motiv zu finden, ist die Frau deines Chefs nach Sibirien geflogen.«
    »Ist das wieder ein Scherz? Oder der pure Hohn?«
    »Hör mal, ich begreife, daß du um deine Untersuchungshäftlinge trauerst.« Ijewlew drückte die Zigarette an der geriffelten
     Sohle seines Schuhs aus und warf den Stummel zielsicher in den Mülleimer an der Nachbarbank. »Aber denk mal nach, die Poljanskaja
     hat dir doch bestimmt erzählt, was ihr so durch den Kopf ging. Und vor allem, woran sie sich erinnert. Ich habe ja auch zuerst
     gedacht, daß sie diese Sinizyns aus lauter Gefühlsduselei mit ins Spiel gebracht hat.«
    »Bist du mit dem Auto da?« fragte Sitschkin.
    »Ja. Warum?«
    »Dann laß uns fahren. Ich erzähle dir unterwegs alles. Aber zuerst muß ich noch telefonieren. Hast du im Auto Telefon?«
    »Ich bin doch nicht die Gradskaja oder Wolkow.« Ijewlew stand auf und kramte in seinen Taschen. »Hier hast du einen Chip.
     Ruf aus der Telefonzelle an, wie ein ganz normaler Mensch. Wohin fahren wir denn?«
    »Zuerst in eine japanische Firma, dann zu meinem Chef in die Wohnung.«
    »Verstehe«, sagte Ijewlew.
     
    Olga Sinizyna wollte man erst lange nicht ans Telefon holen. Eine Sekretärin erklärte mit dünnem Stimmchen höflich, Olga Michailowna
     sei in einer Besprechung.
    »Sagen Sie ihr, hier ist Sitschkin vom Innenministerium.« Mischa blieb

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