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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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hartnäckig.
    »Vom Innenministerium?« fragte die dünne Stimme erstaunt und langgezogen. »Können Sie nicht in einer halben Stunde wieder
     anrufen?«
    »Wenn ich es könnte, täte ich’s.«
    »Na gut«, die Sekretärin kapitulierte, »einen Augenblick.«
    Im Hörer erklang eine sanfte Melodie, und eine Minute später sagte eine dunkle Frauenstimme:
    »Sinizyna am Apparat.«
    »Olga Michailowna, guten Tag. Mein Name ist Sitschkin. Ich …«
    »Guten Tag. Lena hat mir gesagt, daß Sie anrufen würden«, fiel ihm Olga ins Wort. »Der Schlüssel ist bei mir, wann wollen
     Sie kommen?«
    »Sofort.«
    Auf der Fahrt tauschten die beiden Majore weitere Informationen aus.
    »Du weißt also nicht, wer der Bursche war, mit dem dieGradskaja sich auf dem Boulevard getroffen hat?« fragte Sitschkin, als sie bei der Firma Kokusai-Koyeki ankamen.
    »Der Nacken kam mir bekannt vor«, meinte Ijewlew grinsend. »Und die Haltung. Wie beim Militär …«
    »Na gut.« Sitschkin winkte ab. »Eure Wachleute im Butyrka-Gefängnis sind ja alle von der Armee.«
     
    Olga Sinizyna sah ihrem verstorbenen Bruder, den Sitschkin nur von Fotos kannte, erstaunlich ähnlich.
    »Sie öffnen Windows und suchen die Datei ›Rabbit‹. Soll ich Ihnen das aufschreiben, oder behalten Sie es so?«
    »Das behalten wir«, sagte Sitschkin, »Kaninchen auf Englisch.«
    »Lena wollte eigentlich, daß ich mitkomme und aufpasse. Aber ich kann jetzt unmöglich weg. Und Sie können ja nicht länger
     warten.«
    »Olga, machen Sie sich keine Sorgen, wir kommen schon klar.«
    »Das Notebook ist Teil der Intimsphäre eines Menschen«, sagte Olga lächelnd. »Ich würde niemanden ranlassen. Bringen Sie mir
     den Schlüssel nachher wieder vorbei? Ich bin noch bis acht in der Firma.«
    »Ganz bestimmt«, versprach Sitschkin.
     
    Als sie die leere, stille Wohnung betraten, rief Sitschkin als erstes den diensthabenden Milizionär an, um zu kontrollieren,
     ob die Alarmanlage funktionierte.
    »Sie ist gar nicht eingeschaltet, Genosse Major«, teilte ihm der Milizionär mit.
    »So eine Schlafmütze«, schimpfte Sitschkin mit Lena. »Hoffentlich stößt dir das in Sibirien übel auf.«
    Unter »Rabbit« hatte Lena außer Mitjas Texten auch noch die beiden Briefe gespeichert – den von Slepak und den der Mutter
     von Oberleutnant Sacharow.
    Ijewlew stieß einen Pfiff aus.
    »Sieh mal an, Slepak hat Verse geschrieben! Wer hätte das gedacht!«
    Sitschkin druckte die komplette Datei in drei Exemplaren aus.
    »Sie hätte wenigstens eine Notiz machen können, was dieser Sacharow damit zu tun hat!« sagte er kopfschüttelnd. »Ich sehe
     keinen Zusammenhang, außer der Zeit und dem Ort. Aber Slepak senior wohnte in Tjumen und wurde dort vor Gericht gestellt.
     Und dieser Sacharow ist, der Adresse nach zu urteilen, aus Tobolsk.«
    »Die Morde wurden in verschiedenen Städten begangen. Auch in Tobolsk. Das Einsatzkommando war sehr groß, gut möglich, daß
     Sacharow dazugehörte.«
    ***
    Lena schlief erst gegen Morgen ein. Sie träumte von Lisa und Serjosha, ein lebendiger, glücklicher Traum, aus dem sie nicht
     aufwachen wollte. An einem sonnenüberfluteten Sandstrand spielte Lisa mit einem riesigen, zitronengelben Ball. Serjosha kam
     braungebrannt und lächelnd aus dem Meer. Er hob Lisa hoch und setzte sie sich auf die Schultern. »Papa, mein Ball!« schrie
     Lisa. Der Ball rollte sehr schnell davon und schepperte dabei so durchdringend, daß Lena die Augen öffnete.
    Das Telefon auf dem Nachttischchen schrillte wie verrückt.
    »Lena, ich hatte schon Angst, weil du gar nicht abnimmst«, hörte sie Michaels Stimme. »Habe ich dich geweckt?«
    »Nein. Alles in Ordnung, guten Morgen.« Sie blickte auf die Uhr. Es war zehn.
    »Guten Morgen. Bei mir ist leider nicht alles in Ordnung. Jemand hat meine Tasche durchwühlt.«
    Der letzte Rest Schlaf war wie weggeweht. Lena setzte sich abrupt im Bett auf.
    »Ist irgendwas verschwunden?« fragte sie.
    »Nichts, nur eine Dose Talkumpuder. Wahrscheinlich ist es schon gestern passiert, als wir die Stadtrundfahrt gemacht haben.
     Aber gestern abend habe ich nicht mehr in die Tasche gesehen. Heute morgen wollte ich die Joggingschuhe herausholen, sie lagen
     ganz unten auf dem Boden. Nur gut, daß ich gestern meine Brieftasche eingesteckt habe.«
    »Meine Tasche ist auch durchsucht worden. Aber verschwunden ist nichts. Ich wasche mich schnell, und dann gehen wir nach unten.«
    »Ja, die Lust zum Joggen ist mir für heute

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