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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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von allem, was das Mädchen bei sich gehabt hatte, war dieser Anhänger das billigste gewesen.
    Nach Aussagen von Zeugen hatte Galina das Restaurant an diesem Abend zusammen mit Mustafa Saidow, einem Aserbaidschaner, verlassen
     und in dessen Zimmer im Hotel »Sarja« ungefähr anderthalb Stunden verbracht. Der Portier und der Geschäftsführer erklärten
     kategorisch, das Mädchen habe um elf Uhr zwanzig das Hotel verlassen, allein, lebendig und unversehrt, allerdings sturzbetrunken.
     Danach hatte sie an diesem Abend niemand mehr lebend gesehen.
    Die nächste Leiche wurde sieben Monate später gefunden, im April 1980 in Tobolsk. Die fünfzehnjährige Marina Laritschewa,
     Schülerin der neunten Klasse, wurde auf einer verlassenen Baustelle gefunden – ebenfalls erwürgt.
    Am Vorabend hatte sie eine Freundin besucht, die ihren Geburtstag feierte. Die Eltern der Freundin waren nicht zu Hause, die
     Halbwüchsigen waren sich selbst überlassen. Wodka und billiger Portwein flossen in Strömen, die Musik dröhnte. Gegen Mitternacht
     verzankte sich Marina mit ihrem jungen Freund und verließ die Feier, ohne jemandem ein Wort zu sagen. Sie war stark betrunken.
     Auf dem toten Gesicht lag eine dicke, verschmierte Schicht Make-up. Ihr billiges Armband aus Neusilber, das sie am rechten
     Handgelenk getragen hatte, war verschwunden. Aber die teuren goldenen Ohrringe steckten noch in den Ohren.
    Nach nur drei Monaten fand man erneut eine Leiche, in einem Wäldchen am Stadtrand von Tjumen, nicht weit entfernt vom städtischen
     Sommerlager, in dem die älteren Schüler der Technischen Berufsschule Ferien machten. Wieder war es ein stark betrunkenes und
     auffällig geschminktes Mädchen. Die sechzehnjährige Irina Koslowa, die im Waisenhaus aufgewachsen war, absolvierte an der
     Berufsschule eine Ausbildung als Anstreicherin und war nicht gerade für ihr vorbildliches Benehmen bekannt. Bei einer Discoim Lager wurde sie in eine Schlägerei verwickelt und rannte davon. Danach hatte sie niemand mehr gesehen. Der Mörder erwürgte
     auch sie mit bloßen Händen. Von ihren zahlreichen billigen Schmuckstücken fehlte nur ein silberner Siegelring, den Irina am
     kleinen Finger zu tragen pflegte.
    Später erklärte eine ihrer Freundinnen, sie habe vor dem Disco-Abend, als es noch hell war, »so einen blonden Typ, noch nicht
     sehr alt, schlecht angezogen und sternhagelvoll« am Zaun herumschleichen sehen. Sie habe bei ihm sogar eine Zigarette geschnorrt.
     Auf seiner Hand sei eine Tätowierung gewesen, ob es Buchstaben oder Ziffern waren, habe sie nicht erkannt, »solche kleinen
     dunkelblauen Krakel«.
    Wieder blieb der Mord unaufgeklärt. Niemandem war es bis dahin in den Sinn gekommen, auf Gemeinsamkeiten dieser drei Verbrechen
     zu achten.
    Weitere zehn Monate später, Ende Mai 1981, wurde die vierte Leiche gefunden – in Tobolsk, auf derselben verlassenen Baustelle,
     wo ein Jahr zuvor, im April 1980, die Schülerin Marina Laritschewa ermordet worden war. Die achtzehnjährige Olga Fomitschewa
     studierte im zweiten Semester am Pädagogischen Institut von Tobolsk. Im Unterschied zu den drei vorhergehenden Opfern war
     dieses Mädchen nicht betrunken. Sie trank überhaupt keinen Alkohol, war eine vorbildliche Studentin und besuchte auch keine
     Diskotheken. Der Vergewaltiger entjungferte sie und tötete sie mit einem Messerstich ins Herz. Der Stich war so präzise, daß
     fast kein Blut floß und der Tod auf der Stelle eintrat. Die Mordwaffe wurde nicht gefunden. Es wurde überhaupt nichts gefunden.
     Die ganze Nacht hatte es stark geregnet, der Regen hatte alle Spuren weggewaschen – vom Boden ebenso wie von der Kleidung
     der Getöteten. Eine große Tasche aus billigem Kunstleder lag neben ihr. Darin befanden sich Kladden mit Vorlesungsmitschriften,
     einige Bücher, ein Kamm, ein kleiner Spiegel und ein Portemonnaie mit fünfundfünzig Rubeln.
    Zusammen mit einer Freundin hatte Olga um sechs Uhr abends den Lesesaal der Institutsbibliothek verlassen. Die Freundin lud
     sie zu sich nach Hause ein. Dort blieb Olga länger als geplant und machte sich erst um halb eins auf den Heimweg. Die Freundin
     wohnte nicht weit von der unseligen Baustelle entfernt. Olgas Eltern machten sich fast sofort große Sorgen. Um drei Uhr nachts
     weckten sie ihren Nachbarn, den Oberleutnant der Miliz Igor Sacharow. Eine seltsame Eingebung führte Igor sofort zu der Baustelle.
    Olga trug keinen Schmuck, weder billigen noch teuren. Der Mörder nahm

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