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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Stelle und leckte sich rasch über die schmalen Lippen. »Möchtest
     du sie sehen?«
    Lena schwirrte der Kopf. Er blufft, sagte sie sich. Das ist nicht möglich.
    In der Hand des Kahlköpfigen tauchte eine kleine Fernbedienung auf. Erst jetzt bemerkte Lena in der Ecke auf einem Tisch aus
     schwarzem Holz einen großen Fernseher und einen Videorecorder. Der Bildschirm leuchtete auf, und einen Augenblick später erblickte
     Lena die breite Allee des Erholungsheims in Istra. Im leuchtendbunten Overall, auf dem Kopf die gestreifte Strickmütze mit
     der Bommel, lief Lisa die Allee hinunter. In einer Hand hielt sie ein rotes Plastikeimerchen, in der anderen ihren Plüschaffen.
     Sie rannte auf die Kamera zu. Ihr rotbäckiges Gesichtchen nahm den ganzen Bildschirm ein. Die blonden Locken quollen unter
     der Mütze hervor, die großen blauen Augen schauten Lena direkt an.
    »Oma Vera!« schrie sie plötzlich vergnügt, bog ab und rannte in eine andere Richtung.
    Dort, am Wegrand, stand Vera Fjodorowna. Sie beugtesich lächelnd zu Lisa herab, rückte ihr die Mütze zurecht und machte einen Knopf am Overall zu.
    »Laß mal sehen, Lisa, ob du nasse Füße hast«, sagte sie in ruhigem, normalem Tonfall.
    Das Bild wechselte. Jetzt sah man das Hotelzimmer vom Balkon aus, durch das Fenster. Lisa schlief, Arme und Beine weit von
     sich gestreckt, in ihrem Schlafanzug aus rosa Flanell. Vera Fjodorowna saß strickend im Sessel vor dem Fernseher. Das Bild
     war so friedlich und gemütlich, daß Lena von dem Wunsch überwältigt wurde, jetzt in diesem abendlichen Zimmer zu sein, Lisas
     seidige Haare zu streicheln, die sich wirr auf dem Kopfkissen ringelten, und ihre warme Wange zu küssen, auf der sich die
     Falten des Kissenbezugs eingedrückt hatten.
    Vera Fjodorowna erhob sich schwerfällig aus dem Sessel, ging zum Bett, zog die verrutschte Decke zurecht und tat genau das,
     was Lena so gern getan hätte – streichelte Lisa über den Kopf, beugte sich zu ihr herab, küßte sie auf die Wange und bekreuzigte
     das schlafende Mädchen. Danach gähnte sie herzhaft mit weit geöffnetem Mund, schaltete den Fernseher aus und ging aus dem
     Zimmer, vermutlich ins Bad.
    Der Bildschirm erlosch. Lena nahm noch eine Zigarette aus der Schachtel, zündete sie an, bemüht, das Zittern ihrer Hände zu
     unterdrücken.
    »Eine niedliche kleine Tochter hast du«, erklang die Stimme des Glatzkopfs. »Wem sieht sie denn ähnlich, mit ihren blonden
     Locken? Dem Vater? Übrigens, dein Oberst ist noch in London. Kannst du uns sagen, wann er zurückkommt?«
    »Was wollen Sie von mir?« fragte Lena leise und zwang sich, in diese gelben, nackten Augen zu sehen.
    Das taubstumme Mädchen trat geräuschlos an den Couchtisch und räumte die Kaffeetassen ab. Lena hatte gar nicht bemerkt, wann
     sie im Zimmer erschienen war.
    »Weißt du«, fuhr der Glatzkopf träumerisch fort, »ich hatte schon mehr als einmal Gelegenheit, allzu schweigsamen Zeitgenossen
     die Zunge zu lösen. Meist waren es allerdings Männer. Mit Weibern habe ich es, ehrlich gesagt, nicht so gern zu tun. Es gibt
     natürlich verschiedene Methoden. Du bist eine intelligente Frau, hast viele Filme gesehen und Bücher gelesen, du weißt, wie
     man so was macht. Wichtig ist, daß man für jeden die passende, individuelle Methode findet. Physischer Schmerz ist natürlich
     ein gutes Mittel, jemanden zum Reden zu bringen. Aber mir geht das gegen den Strich, es macht zu viel Lärm, Schmutz und Gestank.
     Wie du siehst, hat dich bisher keiner meiner Jungs auch nur angetippt. Und auch deine Lisa ist bis jetzt nur gefilmt worden.
     Ohne Not werden wir deinem Kind nichts tun. Aber wenn es nötig werden sollte, ist es allein deine Schuld. Glaub mir, es macht
     mir nicht das geringste Vergnügen, dir in zwei, drei Tagen einen ganz anderen Film über deinen kleinen Engel zeigen zu müssen.«
    Lena merkte plötzlich, daß das taubstumme Mädchen mit den leeren Tassen in den Händen wie erstarrt noch immer am Tisch stand
     und auf die schmalen Lippen des Kahlköpfigen starrte.
    »Warum glauben Sie, daß ich lüge?« fragte Lena.
    Nun richtete die Taubstumme ihre himmelblauen Augen unverwandt auf Lenas Lippen. Aber außer Lena bemerkte das niemand.
    »Eine merkwürdige Frau bist du.« Der Glatzkopf seufzte. »Einen abgebrühten Verbrecher bedauerst du, aber das eigene Kind tut
     dir nicht leid. Oder hast du nicht richtig kapiert, was ich sage? Ich gebe dir noch einen Tag Bedenkzeit, bis zum Abend. Die
    

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