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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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spielte nur das Blümchen Rührmichnichtan. Sie erregte ihn absichtlich,
     ließ ihn zappeln, bis er ächzte und keuchte. In solchen Minuten haßte er sie, wollte ihr weh tun, sehr weh; sie sollte um
     sich schlagen und sich in seinen Händen winden, wie damals die rundliche Lara. Er träumte oft, daß er sich auf Tanja stürzte,
     sie zu Boden drückte und ihr die Kleider herunterriß.
    Selbst im Traum hatte er Angst. Ein starker, animalischer Hunger brannte in seinem Inneren, er glaubte sterben zu müssen,
     wenn er ihn nicht stillen und Tanja Kostyljowa, dem schönsten Mädchen der Klasse, nicht sehr weh tun könne.
    Bis zum Schulabschluß Ende Juni spielte Tanja Kostyljowa ihre romantischen Spielchen mit ihm. Auf längere Spaziergänge bis
     in den wilden Park über dem Tobol ließ sie sich nie ein.
    »Du bist so hitzig, Wenja«, sagte sie und schlug ihre strahlendblauen Augen nieder. »Womöglich verlieren wir die Beherrschung,
     und plötzlich werde ich schwanger. Das wäre jetzt noch zu früh, wir sind ja selber noch Kinder. Wir müssen erst noch weiter
     lernen.«
    Zum Abschlußfest brachten viele Wodka mit. Sieschlossen sich im Chemieraum ein und tranken heimlich. Die Mädchen nippten allerdings nur an dem Glas, das im Kreis herumging,
     verzogen das Gesicht und aßen rasch etwas Schwarzbrot.
    »So trinkt man doch nicht!« lachte Wenja und reichte Tanja das volle Glas zurück, das sie kaum berührt hatte. »Nimm einen
     richtigen Schluck, Schulabschluß feiern wir nur einmal im Leben. Nur zu, auf meine Gesundheit, du bist doch kein kleines Kind
     mehr und außerdem eine Sibirierin.«
    Tanja hatte noch nie Wodka getrunken, aber heute ließ sie sich überreden. Sie war in bester Stimmung – die Prüfungen hatte
     sie mit »Eins« bestanden, es gab also genug Grund zum Feiern.
    Sie tanzten eine Weile in der Aula, dann schlichen sie sich heimlich in den Park. Die Nacht war warm und klar. In der geheimnisvollen
     Stille sirrten die Mücken und ächzten die dicken Stämme der alten Zedern. Tanja stützte sich auf Wenjas Arm, streifte die
     eleganten Lackschuhe ab und ging barfuß durch den nächtlichen Tau.
    Sie liefen immer weiter den Tobol entlang. Das Licht des Vollmondes schaukelte in breiten Bahnen auf dem ruhigen Wasser des
     Flusses. Niemand war in der Nähe.
    »Wenja, ich glaube, ich bin betrunken«, sagte Tanja fröhlich. »Mir ist ganz schwindlig. Warum hast du mir diesen verflixten
     Wodka eingeflößt? Das Zeug trink ich nie wieder.«
    Er zog sie an sich und tastete nach dem Reißverschluß ihres Kleides.
    »Bist du verrückt geworden? Laß das!« Sie versuchte, sich seinen Händen zu entwinden.
    Der Reißverschluß klemmte, eine Strähne aus ihrem langen Zopf hatte sich darin verfangen. Er riß mit aller Kraft.
    »Was machst du? Das tut weh!« Tanja gelang es, sich zu befreien, aber nur für eine Sekunde.
    Er hatte sie sofort wieder mit beiden Armen gepackt und warf sie ins nasse Gras.
    »Wenja, Wenjetschka, bitte nicht …«
    Rasch und geschickt streifte er ihr das Kleid vom Körper und hielt ihr mit der Hand, genau wie damals Lara, Mund und Nase
     zu. Sie stieß undeutliche Laute aus, ruckte mit dem Kopf. Er spürte unter seiner Hand ihren warmen Atem.
    Er preßte ihr die Hand noch fester aufs Gesicht. Sie küßte seine Handfläche und riß sie sogleich mit aller Kraft weg.
    »Wenja, laß das, so bekomme ich keine Luft. Küß mich«, flüsterte sie.
    Er küßte gierig ihren langen, biegsamen Hals, die zarten, kaum hervortretenden Schlüsselbeine. Ihre Haut duftete nicht nach
     billigem Parfum, sondern nach Maiglöckchen und herben Tannennadeln. Sein Herz klopfte heftig, er fühlte, daß auch ihr Herz
     schnell und stark schlug.
    Jetzt wird es sein wie bei den anderen, alles wird gut sein und der Hunger vergehen, schoß es ihm durch den Kopf. Sie ist
     sehr schön, sie liebt mich. Ich bin so normal wie alle anderen.
    Aber da legte sich ein schwarzer Schleier über seine Augen, als stülpe ihm jemand von oben eine dichte, undurchdringliche
     Kappe über. Sein Körper gehorchte seinem Willen nicht mehr, seine Hände lebten ihr eigenes Leben, und er begriff nicht, was
     sie taten.
    »Hör auf, du tust mir weh!« schrie das Mädchen plötzlich.
    Seine Hände konnten nicht innehalten. Sie preßten die kleine feste Brust, die Nägel krallten sich in die zarte Haut.
    »Wenja, hör auf! Das tut weh!«
    »Sei still, sei still! Es muß weh tun, das weiß ich«, sagte er rasch. »Es tut immer weh.«
    »Nein,

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