Die leichten Schritte des Wahnsinns
hatte sie offensichtlich nur eins im Kopf: auszusehen und zu klingen wie Sharon Stone in »Basic Instinct«.
Mischa, der im Laufe seiner Dienstzeit mancherlei gesehen hatte und sich schon lange über nichts mehr wunderte, fragte sich
dennoch etwas irritiert, warum das Mädchen so gar keine Reaktion auf den plötzlichen und tragischen Tod ihres Geliebten zeigte,
warum sie sich nicht einmal dafür interessierte, wer ihn erschossen hatte, und ihr überhaupt alles schnurz zu sein schien,
außer dem Eindruck, den ihre überwältigende Schönheit auf ihre Umwelt machte. Aber vermutlich verschwendete sie auch darauf
keinen überflüssigen Gedanken und merkte gar nicht, daß ihre üppigen Reize den mürrischen Kommissar kaltließen.
»Wer hatte außer Ihnen und Asarow einen Schlüssel zu Ihrer Wohnung?« fragte Mischa müde.
»Der Schlüssel zur Wohnung eines Models ist mehr wert als der Schlüssel zu einem Banksafe«, erklärte Veronika mit gurrender
Altstimme und heftete ihren Blick schmachtend auf den Kommissar, gespannt, welchen Eindruck ihr Bonmot machen werde.
Nach diesem Gespräch war Mischa Sitschkin durchgeschwitzt, als hätte er bei 40 Grad Hitze Waggons ausgeladen.
Auf dem Revier, so hoffte er, würden die dienstliche Umgebung und die Unmöglichkeit, im Negligé zu erscheinen, auf das schmachtende
Geschöpf ernüchternd wirken.
Sie erschien mit einer halben Stunde Verspätung. Bekleidet war sie mit einem feuerroten Lederhöschen, schwarzen durchbrochenen
Strümpfen und einer schwarzendurchsichtigen Gazebluse, die sie auf dem nackten Körper trug und noch dazu bis zum Bauchnabel aufgeknöpft hatte. Mischa wies
sie vorsorglich darauf hin, daß sie ihre Aussagen wahrheitsgemäß zu machen habe, gab ihr das entsprechende Dokument zur Unterschrift
und begann dann noch einmal ganz von vorn:
»Wie haben Sie den Tag und Abend vor dem Mord verbracht?«
»Na, das hab ich doch schon gesagt, wir haben gevögelt«, erwiderte Veronika und zog verwundert ihre feingezeichneten Brauen
hoch. »Ich hab Ihnen doch alles erzählt.«
»Gut, am Vorabend hatten Sie mit dem Ermordeten sexuellen Verkehr, das haben wir also geklärt.«
»Einen Moment!« Die Schöne hob protestierend eine Hand mit endlos langen blutroten Krallen. »Wie kann man mit einem Ermordeten
Verkehr haben? Das ist ja Nekrophilie! Sie verwechseln da etwas, Herr Kommissar.«
»Veronika Iwanowna, langsam habe ich das Gefühl, daß Sie keine Zeugenaussagen machen wollen.«
»Was Sie nicht sagen!« Das Model schlug entsetzt die Hände zusammen. »Was tun wir beide denn hier die ganze Zeit?«
»Was? Ich bemühe mich, Sie als Zeugin eines Mordes zu befragen, und Sie machen daraus eine Klamotte. Ein für allemal, Veronika
Iwanowna, entweder Sie benehmen sich, wie es sich gehört, und antworten wahrheitsgemäß auf alle meine Fragen, oder Sie schreiben
ein offizielles Gesuch, daß Sie keine Aussagen machen wollen.«
»Verstehe ich Sie richtig, Sie drohen mir?« In den schönen grünen Augen des Models blitzte ein solch wütender, eisiger Haß
auf, daß es Mischa kalt über den Rücken lief. Er begriff plötzlich, daß diese Puppe sich so kratzbürstig aufführte, weil er
überhaupt nicht auf ihre überirdische Schönheit reagierte. So war sie eben konstruiert, diese brünstige kleine Raubkatze,
einen Vorwurf konnte man ihr darausnicht machen. Aber er, Einsatzleiter Mischa Sitschkin, war ein Esel, er hätte es sofort begreifen müssen.
»Veronika Iwanowna«, sagte er und schüttelte seufzend den Kopf, »Sie wollen mich nicht verstehen. Sie sind jung, Sie sind
sehr hübsch, das ganze Leben liegt noch vor Ihnen. Aber irgendwo schleicht ein Mörder herum, der auch bei Ihnen zu Hause gewesen
ist. Woher sollen wir wissen, ob er nicht noch einmal auftaucht – und diesmal zu Ihnen persönlich will?«
»Weshalb denn?« Die grünen Augen blickten etwas ruhiger und freundlicher.
»Weshalb – das ist eine ganz andere Frage«, erwiderte Mischa mit geheimnisvollem Lächeln. »Ich habe Angst um Sie, Veronika
Iwanowna. Ich sehe Sie an und denke: Was hat die Welt doch Wunderbares zu bieten, was gibt es doch für hinreißende, außergewöhnliche
Frauen. Und wie empörend und alarmierend ist es, wenn dann ganz in der Nähe ein gemeiner Mörder sein Unwesen treibt, der eine
so herrliche Blume jeden Moment zertreten könnte.«
Gleich werden wir sehen, ob sie wirklich eine solche Idiotin ist, dachte er insgeheim, oder ob sie nur so tut.
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